Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.2.2018, C-103/16
Hintergrund
Streitig zwischen den Parteien ist die Wirksamkeit einer Kündigung.
Die Klägerin war Arbeitnehmerin bei der Beklagten, einem spanischen Unternehmen.
Die Beklagte traf mit der Arbeitnehmervertretung eine Vereinbarung über die geplante Massenentlassung, in der die maßgeblichen Kriterien dafür festgelegt wurden, welchen Arbeitnehmern gekündigt werden sollte und welche in dem Unternehmen weiter beschäftigt würden. Infolgedessen wurde der Klägerin, welche derzeit schwanger war, ein Kündigungsschreiben zugestellt. Darin wurde aufgeführt, dass für die spanische Provinz, in der sie arbeite, weitgreifende Personalanpassungen erforderlich seien und dass nach dem Bewertungsverfahren, das das Unternehmen in der Konsultationsphase durchgeführt habe, ihr Ergebnis zu den niedrigsten in der Provinz zähle.
Dagegen erhob die betroffene Arbeitnehmerin Klage beim Arbeitsgericht in Mataró ein, welches jedoch zugunsten der Beklagten entschied. Dagegen legte sie ein Rechtsmittel beim obersten Gericht von Katalonien ein, welches den Gerichtshof zur Auslegung des Kündigungsverbots zugunsten schwangerer Arbeitnehmerinnen, wie es die Richtlinie 92/85 über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen vorsieht, ersuchte.
Der Gerichtshof entschied, dass die Richtlinie 92/85 nicht einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund einer Massenentlassung zulässig ist.
Gründe
Eine Kündigung, die auf Gründen, die wesentlich mit der Schwangerschaft der Betroffenen zusammenhängen, basiere, sei mit dem in der Richtlinie vorgesehenen Kündigungsverbot unvereinbar. Eine Kündigungsentscheidung, die in der Zeit vom Schwangerschaftsbeginn bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs hingegen aus Gründen, die nichts mit der Schwangerschaft dieser zu tun haben, erginge, stelle keinen Verstoß gegen die Richtlinie dar und sei somit zulässig. Voraussetzung dafür sei, dass der Arbeitgeber schriftlich berechtigte Kündigungsgründe anführe und die Kündigung nach den betreffenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten zulässig sei.
Hieraus folge, dass die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründe, die im Rahmen von Massenentlassungen im Sinne der Richtlinie 98/59 geltend gemacht werden könnten, unter die nicht mit dem Zustand der Arbeitnehmerinnen in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle im Sinne der Richtlinie 92/85 fielen. Ferner habe der Gerichtshof befunden, dass die Richtlinie 92/85 nicht einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der ein Arbeitgeber einer schwangeren Arbeitnehmerin im Rahmen einer Massenentlassung kündigen kann, ohne ihr weitere Gründe zu nennen als diejenigen, die die Massenentlassung rechtfertigen, solange die sachlichen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer angegeben werden.
Bewertung
Indem der Europäische Gerichtshof trennscharf zwischen den jeweiligen Kündigungsgründen differenziert und dahingehend deren Vereinbarkeit mit der Richtlinie 92/85 überprüft, schafft er einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen und vermeidet einerseits die Diskriminierung schwangerer Arbeitnehmerinnen und ermöglicht den Arbeitgebern andererseits die Kündigung.