Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 08.07.2015, Az, B 3 KR 5/14 R

Hintergrund  
Streitig zwischen den Parteien ist die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines LKW-Fahrers aufgrund von Drogenkonsum.
Der Kläger ist als Berufskraftfahrer beim Beklagten, der ein Transportunternehmen zur Durchführung von Just-In-Time-Lieferungen für einen Automobilhersteller leitet, angestellt.

Außerhalb seiner Arbeitszeit konsumierte der Kläger am Samstag, dem 11. Oktober 2014‚ Amphetamin und Methamphetamin. Ab dem darauf folgendem Montag erbrachte er wieder seine Arbeitsleistung. Im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle wurde der Drogenkonsum festgestellt. Der Kläger teilte dem Beklagten mit, dass ihm ein Fahrverbot durch die Polizei ausgesprochen wurde, da er seinen Führerschein nicht fände. Aufgrund dessen könne er die Fahrt am Folgetag nicht antreten. Der Beklagte wies auf die Wichtigkeit der rechtzeitigen Belieferung des Kunden, und dass kein Ersatzfahrer verfügbar sei hin. Der Kläger übernahm sodann die Tour, räumte aber im Nachhinein den wahren Grund der polizeilichen Kontrolle ein, dass nämlich der Drogentest positiv gewesen sei. Durch die späte Aufklärung durch den Kläger sei das Vertrauensverhältnis zerstört. Neben der potentiellen Gefährdung des Straßenverkehrs seien auch die Geschäftsbeziehungen zum existenziell wichtigen Kunden durch eine Weiterbeschäftigung des Klägers gefährdet. Daraufhin kündigte der Beklagte dem Kläger fristlos.

Der Kläger wehrte sich vor dem Arbeitsgericht gegen diese Kündigung mit der Begründung, dass kein hinreichender Grund für eine außerordentliche Kündigung vorläge. Es habe keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit oder eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs bestanden und der Konsum habe schließlich im privaten Bereich stattgefunden. Sodann beantragte der Kläger die Nichtbeendigung durch die fristlose Kündigung der Beklagten festzustellen.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Beklagte sein Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Gründe

Eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses eines Berufskraftfahrers ist aufgrund der Einnahme von Amphetamin und Methamphetamin auch dann gerechtfertigt, wenn nicht feststeht, dass die Fahrtüchtigkeit bei von ihm durchgeführten Fahrten konkret beeinträchtigt war.
Das Landesarbeitsgericht habe verkannt, dass im vorliegenden Fall ein wichtiger Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB vorliege. Im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB ist nämlich zunächst zu prüfen, ob die Umstände ‚an sich‘ und damit typischerweise einen wichtigen Grund begründen können.

Aus den sich aus § 241Abs. 2 BGB ergebenden Nebenpflichten, die ‚an sich‘ einen wichtigen Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB begründen können, ist der Arbeitnehmer verpflichtet sich nicht in einen Zustand zu versetzen, in dem er seine Arbeitspflicht nicht erfüllen kann. Unerheblich ist dabei, ob die Arbeitsfähigkeit durch ein Verhalten im privaten oder beruflichen Bereich beeinträchtigt wurde. Durch die Wahrnehmung seiner Tätigkeiten trotz des Drogenkonsums hat der Kläger durch die massive Gefährdung der Fahrtüchtigkeit gegen die ihm auferlegten Nebenpflichten verstoßen. Dabei handele es sich um einen abstrakten Gefährdungstatbestand, zu dessen der Berufskraftfahrer im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Pflichten gehalten ist, bei dem es auf eine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrsicherheit oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht ankommt. Zudem ist es für die Annahme eines Vertragsverstoßes unbeachtlich, ob der Berufskraftfahrer durch seine Fahrtätigkeit eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 2 Satz 1 StVG begeht oder ob die Substanz nicht mehr im Blut nachgewiesen werden kann § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG. Zudem berechtigt § 3 Abs.1 Satz1 StVG, § 46 Abs.3, §§ 11 bis 14 FeV der einmalige Konsum von ‚harten Drogen‘ bereits zum Entzug der Fahrerlaubnis.

Indem der Kläger seinen Dienst zwei Tage nach dem Konsum mit dem Bewusstsein antrat, handelte der Kläger fahrlässig. Die Tatsache, dass der Kläger sogar versucht hatte den wahren Grund der Kontrolle zu vertuschen, weist daraufhin, dass er selbst das abstrakte Risiko für den Straßenverkehr erkannt hatte. Hinzu tritt zudem, dass dieser Pflichtverstoß einen Grund zur Auftragsentziehung seitens des einzigen Kunden darstellt.
Der Kläger hat folglich in schwer schwerwiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Ein wichtiger Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB liegt mithin vor. Die fristlose Kündigung war somit wirksam.

Bewertung

Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Im Rahmen einer umfänglichen Interessenabwägung hat es zu Recht zu Lasten des LKW-Fahrers und zugunsten der Öffentlichen Sicherheit entschieden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht verkannt, dass der Arbeitnehmer, obgleich nur eine abstrakte Gefahr bestand, seine vertraglichen Nebenpflichten wie Schutz und Förderung des Vertragszwecks  bereits durch den einmaligen Konsum verletzt hat. So ist auch ein einmaliger Drogenkonsum, der zwischen den Arbeitstagen erfolgt, nicht zu billigen, da die mögliche Abhängigkeit bei einer solchen Droge nicht unwahrscheinlich ist und sogar noch größere Gefahren birgt.