Arbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 28.6.2017, 15 Sa 66/17

Hintergrund

Streitig zwischen den Parteien ist die Vergütung von Überstundenarbeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Beklagten und dem Kläger.

Der Kläger war vom 09.06.2015 bis zum 15.07.2016 bei der Beklagten, die ein größeres Fuhrunternehmen betreibt, als Leiter Technik/Fuhrpark tätig. Arbeitsvertraglich geregelt war die Abgeltung der geleisteten Überstunden innerhalb von zwölf Kalendermonaten entweder durch bezahlte Freistellung oder aber durch Zahlung des Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz. In den ersten drei Wochen des Arbeitsverhältnisses wurde die Arbeitszeit automatisch mit einem Chip erfasst.

Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis zum 15.07.2016 und verlangte die Bezahlung seiner Überstunden. Als die Beklagte dem nicht nachkam, erhob er Klage auf Zahlung von 4.549,62 Euro für 535,25 geleistete Überstunden auf Basis einer 45-Stundenwoche und reichte dazu eine Auflistung der einzelnen Arbeitstage mit Arbeitsbeginn und Arbeitsende ein.

Dieses Verlangen wurde mit Urteil vom 23.11.2016 des Arbeitsgerichts Potsdam abgewiesen. Der Kläger verfolgte sein Anliegen in der Berufung weiter, welche auch Erfolg hatte.

Gründe

Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zufolge reiche es im Rahmen der ersten Stufe bei einer Überstundenklage seitens des Arbeitnehmers aus, dass dieser für jeden Tag im Einzelnen darlege, von wann bis wann er gearbeitet oder sich auf Anweisung zur Arbeit bereitgehalten habe. Darauf müsse der Arbeitgeber substantiiert erwidern, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist (BAG 16.05.2012 – 5 AZR 307 40/11 – Rn. 27).

Im zweiten Schritt müsse der Arbeitnehmer vortragen, inwiefern der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden veranlasst habe oder diese ihm zumindest durch Anordnung, Billigung oder Duldung der geleisteten Überstunden zuzurechnen seien. Eine Duldung von Überstunden werde jedenfalls dann angenommen, wenn der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnehme und keine Vorkehrungen träfe, die Leistung von Überstunden künftig zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreite, sie vielmehr weiterhin entgegennehme.

Die Beklagte habe das Vorbringen des Klägers nicht substantiiert erwidert. Vielmehr habe sie, da sie von der Leistung der Überstunden wusste, diese geduldet. Die Aussage, dass schließlich alle Führungskräfte bei ihm unentgeltlich Mehrarbeit leisten, belege dies. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zufolge bestehe also ein Anspruch auf Zahlung der Überstunden.

Zumal im Arbeitsvertrag eine Regelung zur Abgeltung der Überstunden vorgesehen wäre, scheitere der Anspruch nicht bereits daran, dass der Kläger die Abgeltung der Überstunden nicht erwarten dürfte, § 612 BGB.

Auch sei der Anspruch auf Bezahlung der Überstunden nicht gegenstandslos, da alle Führungskräfte Mehrarbeit leisten, ohne dafür eine gesonderte Vergütung zu erhalten, zumal sich die Hinnahme eines rechtswidrigen Zustandes durch viele Arbeitnehmer nicht auf die Rechtsposition des einzelnen Arbeitnehmers auswirke.

Bewertung

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg kommt selbst unter Anwendung der Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts, an welchen es Kritik übt, zu einem billigen Ergebnis. Vor allem im Hinblick auf die immens große Anzahl an Überstunden, die in Deutschland geleistet wird, überzeugt nicht nur das Urteil, sondern auch die Kritik am Bundesarbeitsgericht. Die Vergütung von Überstundenarbeit von zwei Stufen abhängig zu machen, von denen die Zweite die Kenntnis des Arbeitgebers voraussetzt, erscheint hinsichtlich der Zahl an geleisteten Überstunden, die in manchen Branchen auch üblicherweise geleistet werden, unbillig. Hinzukommt, dass der Nachweis der Duldung seitens des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer vergleichsweise schwer ist. Zuletzt scheint das Urteil vor dem Hintergrund, dass die Beklagte mit der lediglich dreiwöchigen Aufzeichnung der Arbeitszeit nicht ihren Verkehrsschutzanforderungen nachkam gerecht.