Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 24.3.2017 – 4 Sa 876/16
Hintergrund
Das Landesarbeitsgericht hatte über eine Kündigungsschutzklage eines seit dem 11.5.1999 bei dem beklagten Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmers zu entscheiden. Der Kläger hat fünf unterhaltspflichtige Kinder und arbeitet als Lagerarbeiter. In der jüngsten Zeit kam es zu Arbeitsfehlern, mit denen der Kläger gegen seine ihm obliegenden arbeitsvertraglichen Leistungspflichten verstoßen hat. Bezüglich der Verladung von Waren in die Lkw besteht eine ausdrückliche Arbeitsanweisung vom 27.8.2013, nach der die Ware immer erst bei der Verladung in den passenden Lkw zu scannen ist, nicht bereits die gesamte Ware vor dem Vorgang des Einladens. Der Kläger wich von dieser Weisung ab, woraufhin die Beklagte ihn erstmalig mit Schreiben vom 1.4.2015 wegen der falschen Beladung mahnte. Es folgte ein Vorfall, bei dem der Kläger die Beklagte verspätet über die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit informierte, weswegen zwei Mahnungen vom 10.8.2015 und 21.08.2015 folgten. Eine letztmalige Mahnung erging am 4.11.2015 wegen verspäteter Benachrichtigung über eine Urlaubsüberschreitung. Am 2.1.2016 belud der Kläger wiederholt einen Lkw falsch, sodass fünf Rollcontainer und eine Transportkühlbox fehlten. Durch die Nachladung am nächsten Tag kam es zu Verzögerungen im Betriebsablauf. Nach alldem sprach die Beklagte aufgrund des Vorfalls am 4.1.2016 eine ordentliche Kündigung zum 31.7.2016 aus. Die Kündigungsschutzklage des Klägers hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.
Gründe
Das LAG Köln hat entschieden, dass die Kündigung nicht im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist und somit unwirksam ist. Für eine verhaltensbedingte Kündigung, wie sie hier vorlegen sollte, ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer schuldhaft eine Vertragspflicht erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch beeinträchtigt wird und eine dem Arbeitgeber zumutbare Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nicht besteht. Darüber hinaus muss auch noch eine beiderseitige Interessenabwägung vorgenommen werden mit dem Ergebnis, dass die Vertragsauflösung angemessen ist. Eben diese Abwägung fällt vorliegend nach der Ansicht des Senats zugunsten des Klägers aus. Zwar ist im Rahmen der Abwägung zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass es zu mehreren gleichartigen Fehlern des Klägers gekommen ist, sodass das Arbeitsverhältnis seit März 2015 nicht mehr störungsfrei ist. Zugunsten des Klägers spricht sich jedoch aus, dass er bereits seit sechzehneinhalb Jahren für die Beklagte arbeitet. Dies tat er bis März 2015 nahezu störungsfrei. Außerdem wäre bezüglich des Arbeitsfehlers am 4.1.2016 eine weitere Abmahnung angemessen gewesen. Letztendlich sprechen auch seine fünf unterhaltspflichtigen Kinder gegen die Angemessenheit der Kündigung. Im Ergebnis ist die Kündigung also nicht sozial gerechtfertigt und somit unwirksam.
Bewertung
Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Es hat zu Recht deutlich gemacht, dass grundsätzlich qualitative Minderleistungen des Arbeitsnehmers eine ordentliche Kündigung rechtfertigen können. Zwingend muss aber immer eine Interessenabwägung vorgenommen werden, die Verletzung arbeitsvertraglicher Leistungspflichten kann nicht automatisch zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen. Mit seiner Entscheidung stärkt das LAG die folglich auch Einzelfallgerechtigkeit, was dem Arbeitnehmer zu Gute kommt.