Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 2.11.2017 – 2 Sa 262 d/17

Hintergrund

Ein Kreis in Schleswig-Holstein hatte die Stelle einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten ausgeschrieben. „Chancengleichheit von Frauen und Männern, Menschen mit Behinderungen und Bewerber/innen mit Migrationshintergrund sind für uns selbstverständlich […]“ lautete es in der Beschreibung der Stellenanzeige. Davon fühlte sich der Kläger, ein schwerbehinderter Jurist, angesprochen, sodass er sich auf die Stelle bewarb. Der beklagte Kreis erteilte der Bewerbung jedoch eine Absage. Er berief sich dabei auf eine Auskunft des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung und führte die Begründung an, dass in Schleswig-Holstein nur Frauen die Funktion einer Gleichstellungsbeauftragten ausüben könnten. Dagegen wehrte sich der Kläger mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Lübeck und forderte aufgrund von geschlechtsspezifischer Diskriminierung im Bewerbungsverfahren eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines dreifachen Monatsgehaltes. Er begründete seine Forderung damit, dass das weibliche Geschlecht keine wesentliche Anforderung für die Tätigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten darstelle. Die Klage hatte jedoch weder vor dem Arbeitsgericht noch vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.

Gründe

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat ebenso wie bereits das Arbeitsgericht Lübeck einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verneint. Zunächst wurde festgestellt, dass die Parteien dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen. Ferner liegt nach der Ansicht der Kammer auch eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts gemäß § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG vor, indem die Stelle nur für Frauen ausgeschrieben war und der Kläger nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, weil er keine Frau ist. Somit wurde er weniger günstig behandelt als die weiblichen Bewerber, denn nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Benachteiligung im Auswahlverfahren bereits vor, wenn der Kläger gar nicht in die Auswahl miteinbezogen wurde, sondern vorab ausgeschieden wird. Damit werde dem Bewerber die Chance versagt, die Stelle zu erhalten. Diese Benachteiligung erfolgte auch gerade wegen seines Geschlechts und somit kausal wegen eines in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgrundes.

Die Benachteiligung sei jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AGG zulässig. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Vorliegend sieht die gesetzliche Grundlage in Schleswig-Holstein speziell nur weibliche Gleichstellungsbeauftragte vor. Allein deswegen stellt das weibliche Geschlecht bereits eine zwingende Anforderung für die kommunale Gleichstellungsbeauftragte dar. Der mit dieser Anforderung verbundene Zweck ist auch rechtmäßig und angemessen. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen an dieser Stelle werde von dem Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 2 GG legitimiert, weil sie darauf abziele, die Situationen von Frauen im öffentlichen Dienst zu verbessern. Die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten sei insbesondere zur Beseitigung nach wie vor vorhandener struktureller Nachteile von Frauen notwendig. Die gesetzliche Grundlage ist insgesamt also mit dem Grundgesetz sowie mit dem Unionsrecht vereinbar. Benachteiligung ist demnach zulässig, ein Anspruch des Klägers scheidet mithin aus.

Bewertung

Zum wiederholten Mal hat ein Gericht entschieden, dass Männer keine Gleichstellungsbeauftragte werden können und diese geschlechterbezogene Benachteiligung zulässig ist. Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, haben die Richter für verfassungs- und unionsrechtskonform gehalten. Eine solche Benachteiligung ist unter anderem deshalb verhältnismäßig, weil Frauen noch immer strukturell benachteiligt sind, wie es sich zum Beispiel durch ihre Unterrepräsentanz in Führungspositionen zeigt. Da die zugrundeliegenden Gleichstellungsgesetze in erster Linie noch immer auf Frauenförderung ausgerichtet sind, ist der Entscheidung des Gerichts zuzustimmen.