Landgericht Dortmund, Teilurteil vom 08.02.2017 – 10 O 12/16

Hintergrund

Streitig zwischen den Parteien ist, ob ein Anspruch auf einen Buchauszug besteht, und überhaupt ein Handelsvertreterverhältnis vorliegt.

Der Beteiligte (Name anonymisiert, folgend Beteiligter) wurde mit Vereinbarung vom 26./28. August 2005 selbständiger Handelsvertreter für die Beklagte. Die Beklagte war eine Versicherungsmaklerin. Die Vereinbarung, dieses Vertragsverhältnis, ging mit Gründung der Klägerin im August 2006 auf die Klägerin, Gesellschaft, über. Am 22. Mai 2007 trat eine neue Versicherungsvermittlerverordnung in Kraft, infolge dessen sich die Klägerin und der Beteiligte, der nunmehr Geschäftsführer der Klägerin war, als Makler registrieren ließen.

Aufgrund der im August 2005 zwischen dem Beteiligten und der Beklagten geschlossenen Vereinbarung, dem Vertragsverhältnis, das zwischenzeitlich auf die Klägerin übergegangen war, zahlte die Beklagte monatlich einen Vorschuss zur Vorfinanzierung in Höhe von 3.500 EUR. Diese Zahlungen wurden auch nach Übergang des Vertragsverhältnisses auf die Klägerin weiter gezahlt, zuletzt in Höhe von 8.500 EUR. Im Juni 2008 schlossen die Beklagte und die Klägerin einen Darlehensvertrag über 100.000 EUR, die die Beklagte an die Klägerin leistete.

Mit Schreiben vom 22. Februar 2013 und 1. März 2013 kündigte die Beklagte die oben bezeichnete Vereinbarung, das Vertragsverhältnis, aus 2005 zum 31. August 2013 bzw. zum 30. September 2013. Die Beklagte führte in ihrem Kündigungsschreiben folgenden Passus auf: „… Wir kündigen hiermit die Zusammenarbeit Vereinbarung vom 1. September 2005 gemäß § 89 HGB fristgemäß zum 30. September 2013…“

Die Klägerin machte sodann einen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges geltend. Dieses Ziel verfolgte sie zur Bezifferung eines konkreten Handelsvertreterausgleichsanspruchs.

Dieses Ziel verfolgte die Klägerin sie gerichtlich im Wege der Stufenklage:

  1. Erteilung eines Buchauszugs mit den folgenden Angaben
    1. für die Zeit von 2009 bis Vertragsende die durch die Klägerin an die Beklagte vermittelten Verträge einschließlich sämtlicher Zusatz-und Änderungsverträge hierzu, soweit eine Vermittlungsleistung durch die Klägerin erbracht wurde
    2. vollständige Namen und Anschriften der Vertragsbeteiligung, Datum des Vertragsschlusses, Datum der Wirksamkeit des Vertrages, Vertragsinhalt sowie weitere Wertangaben, soweit diese für die Provisionsberechnung der Klägerin erforderlich sind
  2. Verurteilung der Klägerin zur Versicherung der in Ziffer 1. bezeichneten Auskünfte an Eides statt zu versichern
  3. Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des sich ergebenden Ausgleichsanspruch zuzüglich 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. August 2014
  4. Feststellung der Verpflichtung zum Tragen der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und machte geltend, dass der Klägerin alle Informationen und Daten zu den streitgegenständlichen Jahren bereits vorliegen. Im Übrigen führte die Beklagte an, dass das im Jahre 2005 geschlossene Handelsvertreterverhältnis aufgrund der Registrierung und damit verbundenen Tätigkeit der Klägerin als Versicherungsmakler infolge der Versicherungsvermittlerverordnung im Jahre 2007 in einen Maklervertrag umgewandelt worden sei. Die Beklagte machte ferner Verjährung geltend.

Das entscheidende Landgericht (LG) wies den zulässigen Klageantrag der Klägerin zu 1. (s.o.) ab.

Gründe

Das LG lehnte einen Anspruch aus § 87c Abs. 2 HGB ab. Das LG führte zur Begründung an, dass über die Provisionsansprüche bereits endgültig abgerechnet worden ist und im Übrigen weitere Ansprüche nicht ersichtlich sind. Zudem sei das Begehren der Klägerin mit der Zielrichtung des Anspruchs auf einen Buchauszug nicht vereinbar.

Das LG beurteilte die weiteren Klageanträge der Klägerin für begründet. Es urteilte aus, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin für die Beklagte um ein Handelsvertreterverhältnis über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum handelt.

Nach § 84 Abs. 1 S. 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Bei dem Bezug des Handelsvertreters auf die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen handelte sich um einen Versicherungsvertreter nach § 92 Abs. 1 HGB. Das Handelsvertreterrecht findet aufgrund der Verweisung nach § 92 Abs. 2 HGB grundsätzlich entsprechende Anwendung, mit Ausnahme der in § 92 Abs. 2 und 3 HGB genannten Besonderheiten. Nach § 93 Abs. 1 ist abweichend von der Stellung als Handelsvertreter der Handelsmakler eine Person, die gewerbsmäßig für andere Personen, ohne von ihnen aufgrund eines Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein, die Vermittlung von Verträgen übernimmt.

Unterschied zwischen dem Handelsvertreter und dem Handelsmakler ist das Fehlen der ständigen (ständig – „eine auf Dauer angelegte Bindung, die mehr ist als eine bloße langfristige Geschäftsbeziehung“) Betrauung (Betrauung – „Beauftragung im Sinne eines Dienstvertrages mit Geschäftsbesorgungscharakter, aus dem sich für den Vertreter eine Pflicht zum Tätigwerden ergibt“) des Handelsmaklers durch einen Unternehmer. Wesentlicher Unterschied zwischen dem Handelsvertreter und dem Handelsmakler ist die Bemühungspflicht um die Vermittlung eines Handelsgeschäfts, nach § 86 Abs. 1 Hs. 1 HGB. Ferner sind zur Beurteilung alle Umstände des Vertragsverhältnisses zu berücksichtigen.

Auf dieser Grundlage entschied sich das LG für die Annahme eines Handelsvertreterverhältnisses über die gesamte Dauer.

Bewertung

Das LG hat in seinem Urteil die spezifischen Voraussetzungen für die Bejahung eines Handelsvertreterverhältnisses hinreichend dargelegt, und auf dieser Grundlage das vormalige Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten bewertet. Das Urteil ist lesenswert. Die Beklagte hatte bis zum Jahre 2007 unstreitig das Vertragsverhältnis als eines mit einem Handelsvertreter bezeichnet. Ab 2007 änderte sich im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin keine Gesichtspunkte, die eine andere Bewertung des vormals geschlossenen Vertragsverhältnisses zugelassen hätten. Die Eintragung in das Vermittlerregister im Jahre 2007 hat keine konstitutive Wirkung für das Innenverhältnis zu einem Versicherer/Versicherungsunternehmen, wie das LG urteilte.  Das Vertragsverhältnis bestand fort, und stand nicht im Widerspruch zur Tätigkeit der Klägerin als Maklerin.