BGH, Urteil vom 27. September 2016 – XI ZR 81/15

Hintergrund

Kläger und Beklagte waren Gesellschafter einer GmbH. Der Kläger hielt einen Anteil von 40 % und der Beklagte einen Anteil von 10 % an der GmbH. Weitere Gesellschaftsanteile in Höhe von 25 %, 20 % und 5 % entfielen auf weitere Gesellschafter.

Der Kläger nahm den Beklagten als Mitbürgen zum Ausgleich einer durch ihn geleisteten Forderung in Anspruch.

Im Jahre 2002 hatten die Gesellschafter der GmbH Höchstbürgschaftsbeträge übernommen. Der Kläger hatte eine Bürgschaft in Höhe von 300.000 €, der Beklagte in Höhe von 150.000 € übernommen. Auf die weiteren Gesellschafter entfielen Beträge von 200.000 €, 200.000 € und 75.000 €.

Im Jahre 2004 wurde ein Bürge aus seiner Bürgschaft entlassen. Dieser hatte einen Höchstbetrag in Höhe von 200.000 € übernommen. Im Nachgang übernahmen alle verbleibenden Gesellschafter erneut Höchstbeträge entsprechend ihrer bisherigen Zusicherungen.

Am 29. Januar 2008 wurde gegen die GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet. Das zuständige Bankhaus forderte am 4. Februar 2008 vom Kläger die Erfüllung der bestehenden Bürgschaft in Höhe von 300.000 €. Daraufhin zahlte der Kläger alle gegen die GmbH bestehenden Forderungen in gesamter Höhe von 369.188,94 € aus Darlehen und 35.745,49 € aus Avalkrediten.

Nach Erfüllung der Forderungen forderte der Kläger vom Beklagten einen Ausgleich nach dem Verhältnis der übernommenen Höchstbeträge, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Der Beklagte entgegnete, dass der Ausgleich nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile zu bestimmen sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht, Berufungsgericht, hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die zugelassene Revision vor dem Bundesgerichtshof führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Gründe

Das Berufungsgericht gestand dem Kläger einen Ausgleichsanspruch betreffs der 300.000 € zu. Den über die 300.000 € hinausgehenden Betrag regelte das Berufungsgericht in seinem Urteil nach Maßgabe der Geschäftsführung ohne Auftrag. Als Maßstab setzte das Berufungsgericht das Verhältnis der unterschiedlichen Bürgschaftshöchstbeträge an. Es sah diese Regelung gegenüber dem Verhältnis der Gesellschaftsbeteiligung als spezieller, und damit hier einschlägig an.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts hielten der Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof jedoch in einigen Punkten nicht stand.

Für rechtlich unbedenklich erachtet der Bundesgerichtshof jedoch zunächst die Annahme, dass hier als speziellere Regelung die Vereinbarung der Gesellschafter über das Verhältnis der Bürgschaftshöchstbeträge für den Ausgleich im Innenverhältnis anzusetzen sei. Die Übernahme unterschiedlicher Höchstbeträge sei derart prägend, dass sie auf den späteren Ausgleich im Innenverhältnis durchschlage und der Wille der Gesellschafter bzw. Bürgen besonders zum Ausdruck komme, so der Bundesgerichtshof. Diese Feststellung markiert den charakteristischen Kerngedanken des Urteils.

Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch den weggefallenen Bürgschaftsanteil des ausgeschiedenen Bürgen behandelt, bzw. diesen unberücksichtigt gelassen.

Maßgebend sei an dieser Stelle, dass eine Entlassung eines Bürgen aus einer Gesamtschuldnerschaft eine Ausgleichsverpflichtung grundsätzlich nicht berühre. Diese Tatsache beeinflusse die Anteilsberechnung des Beklagten, so der Bundesgerichtshof. Die übrigen Bürgern hätten ihr Einverständnis mit dem Auslassen des ausgeschiedenen Bürgen kenntlich machen müssen, alternativ hätte der ausgeschiedene Bürge eine Kündigung aussprechen müssen, oder von seiner Bürgen Verpflichtung wegen Zeitablaufs freigeworden sein müssen. Eine Feststellung derartiger Umstände ist durch das Berufungsgericht nicht vorgenommen worden. So solle auch fraglich sein, ob der fünfte Gesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis mittlerweile mit Auswirkung auf die Bürgen Pflicht ausgeschieden ist.

Bewertung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist in jeder Hinsicht als richtig zu bewerten. Insbesondere mit Blick auf die besondere Berücksichtigung der Übernahme der jeweiligen Bürgschaften ist sie als prinzipientreu zu klassifizieren. Der Grundgedanke der zivilrechtlichen Privatautonomie wird in der besonderen Wertung der Absprache der Bürgen über ihre Bürgschaftshöchstbeträge zum Ausdruck gebracht.

Aus der Sicht der Praxis stellt die Entscheidung eine wohl in der Rechtsprechung überfällige Klarstellung dar. Die Anteilsbewertung derartiger Bürgschaftskonstellationen wurde bis dato nicht hinlänglich ausgedrückt. Dem Gesellschaftsrecht obliegt in der Praxis, nun auch festgeschrieben, die eigene Entscheidungsgewalt über die Festschreibung gesellschaftlicher Strukturen und insbesondere Bürgschaftsverhältnisse genau festzuschreiben.