Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 10.02.2017 – 15 W 587/15

Hintergrund

Die Erblasserin litt unter Krebs im Endstadium. Sie war geschieden und hatte einen Sohn, Beteiligter zu 1). Am 4. Februar 2014 begab sie sich in stationäre Behandlung in ein Krankenhaus. Am 16. Februar 2014 erfolgte die Verlegung in eine Hospizeinrichtung. Hier verstarb die Erblasserin am 19. Februar 2014. Mit privatschriftlichem Testament vom 31. Juli 2013 hatte die Erblasserin ihren Sohn zuvor als Alleinerben eingesetzt.

Für ein anwaltliches Beratungsgespräch suchte die Beteiligte zu 2) die Erblasserin im Krankenhaus am 4. Februar 2014 auf. Aufgrund der Schulden des Beteiligten zu eins hatte sich die Beteiligte zu 2) Sorgen um den Nachlass gemacht. Die Beteiligte zu 2) schlug die Anordnung einer Testamentsvollstreckung vor. Sie übersandte am Folgetag einer Freundin der Erblasserin, der Zeugin T, einen Entwurf eines Testaments. Inhalt dieses Entwurfes war die Berufung des Beteiligten zu 1) als Alleinerben sowie die Einsetzung der Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstreckerin. Die Zeugin T übergab der Erblasserin diesen Entwurf. Am 13. Februar 2014 suchte die Beteiligte zu 2) die Erblasserin erneut auf. Diesem Gespräch folgte die Übersendung eines überarbeiteten Entwurfs an die T. Inhalt der Überarbeitung war die zusätzliche Aufnahme von Vermächtnissen zu Gunsten der drei Enkelkinder der Erblasserin. Der Entwurf des Testaments wurde mit „Nottestament“ überschrieben. Das Dokument wurde inhaltlich als Niederschrift verfasst und auf den 13. Februar 2014 datiert. Vor drei Zeugen wurde am 15. Februar 2014 der Inhalt des überarbeiteten Entwurfs als Nottestament errichtet.

Nach dem Tod der Erblasserin am 19. Februar 2014 beantragte die Beteiligte zu 2) in notarieller Urkunde vom 10. März 2014 die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt des Nottestaments.

Der Beteiligte zu 1) erachtete das Nottestament entgegen der Beteiligten zu 2) als nichtig. Mit Rückgriff auf das privatschriftliche Testament vom 31. Juli 2013 beantragte der Beteiligte zu 1) in notarieller Urkunde vom 17. März 2014 die Erteilung eines Erbscheins mit Ausweisung seiner unbeschränkten Alleinerbenstellung.

Das Nachlassgericht erachtete mit Beschluss vom 23. Juli 2015 alle erforderlichen Tatsachen für die Begründung des Erbscheinantrags der Beteiligten zu 2) für festgestellt und wies den Erbscheinantrag des Beteiligten zu 1) zurück.

Der Beschwerde des Beteiligten zu 1) half das Nachlassgericht mit Beschluss vom 13. Dezember 2015 nicht ab und legte sie dem Senat zur Entscheidung vor.

Der Senat erklärte die statthafte und zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) für begründet.

Gründe

Der Senat befand das Nottestament vom 15. Februar 2014 für unwirksam. Nach Auffassung des Senats ist es nicht zu einer wirksamen Errichtung eines Drei-Zeugen-Testaments nach § 2250 BGB gekommen.

Der Senat führte aus, dass die Errichtung eines Nottestaments nur im Falle so naher Todesgefahr möglich ist,  wenn eine Errichtung vor einem Bürgermeister oder Notar nicht mehr möglich ist, nach § 2249 BGB. Eine jederzeit drohende Testierunfähigkeit steht der Todesgefahr gleich, wenn sie bis zum Tode anzudauern droht, so bereits das OLG München. Es stellte die Anforderungen, dass entweder objektiv oder subjektiv bei allen drei Zeugen zugleich die Überzeugung des Vorliegens eines solchen Zustands bestehen muss.

Auf dieser Grundlage kam der Senat zu dem dargestellten Ergebnis und betonte, dass eine solche Überzeugung nicht sicher nachgewiesen werden kann, in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht. Er stellte zudem insbesondere fest, dass eine bösartige metastasierende Grunderkrankung für die Bejahung des Vorliegens einer für das Nottestament erforderlichen nahen Todesgefahr auf Grundlage der Ausführungen des behandelnden Arztes nicht ausreichend sei, und im Hinblick auf einen Zeitpunkt kein Abstellen auf die fehlende Möglichkeit zur Bestellung eines Notars, in großstädtischen Verhältnissen, möglich ist.

Bewertung

Der Entscheidung des OLG Hamm ist unumschränkt zuzustimmen. Das Gericht hat in seine Entscheidung die an dieser Stelle nicht weiter erörterten Sachverhaltsaspekte ausgearbeitet und ein im Sinne des Gesetzes als richtig zu bewertendes Urteil gefällt. Das Urteil stellt gerade auf den Sinn und Zweck der Norm des § 2250 BGB ab. Die Auffassung der Beteiligten zu 2) geht geradewegs an der Norm vorbei.

Die Betonung der scharfen Anforderungen der für das Drei-Zeugen-Testament schafft erneut Klarheit zum Verständnis der Norm und macht die außerordentliche Bedeutung der Norm klar.

Das Verfahren und letzten Endes insbesondere der ihm zugrundeliegende Sachverhalt zeigen deutlich die Erforderlichkeit und Wichtigkeit frühzeitiger, umfangreicher und gewissenhafter rechtlicher Beratung in erbrechtlichen Fragestellungen.