Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 14.04.2015 – 26 U 125/13

Hintergrund

Die Klägerin wurde bei der Beklagten aufgrund eines bösartigen Darmtumors operiert. Die Narkose wurde dabei u.a. mittels eines Periduralkatheters durchgeführt. Nach der OP wurde sie auf die Intensivstation verbracht, wo sie ihr rechtes Bein nicht mehr bewegen konnte und über starke Schmerzen klagte. Später wurde die Klägerin auf die chirurgische Station verlegt, nachdem sie ihr Bein zuvor wieder bewegen konnte. Der Katheter wurde ihr entfernt. Nachdem die sie erneut starke Schmerzen hatte, wurde bei ihr ein Abzess im Rücken festgestellt. Es erfolgte eine Besprechung der behandelnden Ärzte mit denen der neurochirurgischen Klinik C. Diese empfahlen eine Antibiotikatherapie und die Verlegung auf die Intensivstation. Im weiteren Verlauf zeigten sich bei der Klägerin ein Anstieg der Entzündungsparameter und Empfindungsstörungen in den Beinen. Bei einer erneuten Konsultation der Neurochirurgen der C empfahlen diese ein weiteres MRT. Es zeigte sich, dass sich der Abzess vergrößert hatte. Er wurde daraufhin notfallmäßig in den Städtischen Kliniken E ausgeräumt. Es ergab sich ein MRSA – Befund.

Die Klägerin forderte von der Beklagten immateriellen Schadensersatz, die Feststellung weiterer materieller und immaterieller Ersatzverpflichtungen, sowie die Herausgabe von Informationen über Fälle von Infektionen im Hause der Beklagten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht die zulässige Klage für unbegründet beurteilt.

Gründe

Bei der Klageerhebung vor dem Landgericht trug die Klägerin vor, der Katheter sei fehlerhaft und nicht unter hygienisch einwandfreien Bedingungen gelegt worden. Ihre Krebserkrankung habe sich durch diese Fehler, insbesondere das fehlerhafte Hygienemanagement der Beklagten verschlimmert.  Auch sei ein Periduralkatheter in ihrem Fall die falsche Methode gewesen. Dadurch habe sie Folgeschäden davon getragen. Als Beweis für diesen Vorwurf führte sie an, dass es zu mindestens vier weiteren MRSA-Infektionen während ihres Krankenhausaufenthaltes gekommen sei.

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass kein Behandlungsfehler der Beklagten vorgelegen habe. Der Katheter sei das Mittel der Wahl gewesen und ordnungsgemäß verlegt worden. Auch ein Anspruch auf Herausgabe von Informationen über das Auftreten von MRSA-Erregern im Krankenhaus ergäbe sich nicht. Einen Anspruch aus dem Vorwurf des Hygienefehlers lehnte das Landgericht ebenfalls ab. Zum einen habe der Gutachter keine Hygienemängel feststellen können, zum anderen handele es sich bei Verhinderung von Infektion nicht um ein für die Beklagte voll beherrschbares Risiko. Somit greife keine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin ein und diese habe den Beweis der Hygienefehler nicht erbringen können. Eine Aufklärungspflicht über die Möglichkeit einer Infektion bestehe in diesen Fall nicht.

Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das Urteil.  Ihrer Ansicht nach hatte es das Landgericht unterlassen ein weiteres Gutachten einzuholen. Des Weiteren sei die Einschätzung der Neurochirurgen der C fehlerhaft gewesen, was sich die Beklagte zurechnen lassen müsse. Der Gutachter habe außerdem sehr wohl Hygienemängel festgestellt. Das OLG Hamm wies die Klage als unbegründet ab.  Eine Zurückverweisung an das LG sei mangels nicht ersichtlicher Verfahrensfehler nicht begründet. Die geforderten Schadensersatzansprüche der Klägerin habe das LG zu Recht verneint.

Das Gericht folgte der Auffassung der Klägerin auch nicht, die Beklagte müsse sich einen Diagnosefehler der Neurochirurgen der C zurechnen lassen. Ein Diagnosefehler sei zwar möglich, aber dieser wäre der Beklagten nicht zuzurechnen. Bei der interdisziplinären Arbeit gelte der Vertrauensgrundsatz. Im Übrigen stützte das OLG seine Entscheidung auf die des BGH vom 21.01.2014 – VI ZR 78/13, in derer der BGH darauf verwies, dass der Begriff des „Konsiliararztes“ nicht legal definiert sei. In der Regel sei er kein Erfüllungsgehilfe, weil eine weitere vertragliche Beziehung zum Patienten aufgebaut werde. Hier war dies nicht der Fall. Es sei davon auszugehen, dass keine vertragliche Verbindung zwischen den Neurochirurgen der C mit der Beklagten oder der Klägerin zustande gekommen sei. Die Beklagte sei ihrerseits schon nicht vertraglich verpflichtet gewesen, eine neurochirurgische Behandlung bzw. Diagnostik durchzuführen.

Bezüglich des Hygienemangelvorwurfs folgte das OLG in weiten Teilen dem LG. Eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin scheide aus. Die vollständige Verhinderung von Infektionen sei kein voll beherrschbares Risiko. Sie sei im Krankenhausalltag einfach nicht möglich. Ein Gutachter gab außerdem an, dass ebenso Patienten selber Träger von MRSA sein können, sodass eine Infektion nicht unmittelbar auf einen Hygienefehler schließen ließe. Auch vier gleichzeitig vorkommende Infektionen ließen nicht die Annahme zu, es hätten solche Mängel vorgelegen. Erst bei ca. zehn gleichzeitig infizierten Patienten könnten Hygienedefizite angenommen werden. Konkrete Hygienemängel bei der Anlage des Katheters könnten ebenfalls nicht geschlussfolgert werden. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Bewertung

pfeilDem Urteil des OLG Hamm ist soweit zuzustimmen. Das OLG musste sich hier zunächst mit der Frage beschäftigen, ob die fehlerhafte Diagnose eines Konsiliararztes der behandelnden Klinik zugerechnet werden kann, diese also haftet. Dies wäre grds. dann der Fall, wenn die Konsiliarärzte Erfüllungsgehilfen der Beklagten gewesen wären. Bei der Klärung dieser Frage, stützte sich das OLG auf eine vorrangegangene Entscheidung des BGH, in der dieser zu den Voraussetzungen einer solchen Haftung Stellung nahm. Im Allgemeinen setzt die Haftung für einen Erfüllungsgehilfen voraus, dass sich der Haftende einer anderen Person zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit bedient. Im vorliegenden Fall war die Beklagte selber nicht verpflichtet  die Klägerin neurochirurgisch zu behandeln. Sie hat sich somit der Empfehlungen der  Neurochirurgen der C nicht zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit bedient. Insoweit ist das Urteil stringent und richtig.

Darüber hinaus hatte das OLG die Frage zu klären, ob eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin vorlag. Dies ist bei den voll beherrschbaren Risiken der Fall. Das Gericht hat ein solches Risiko hier verneint. Diese Entscheidung ist durchaus plausibel. Es ist nie völlig auszuschließen, dass sich in einer medizinischen Einrichtung, in der mehrere kranke Menschen mitunter auf längere Zeit untergebracht sind, Infektionen durch multiresistente Erreger vorkommen können. Auch können die Patienten selber Träger einer Infektion sein.  Das Urteil ist somit sehr an der Praxis orientiert. Die Beweis und -Darlegungspflicht liegt nun bei der Klägerin. Dass das Gericht unter Anbetracht der vorrausgegangenen Argumentationen, welche sich auf das Gutachten eines Sachverständigen beziehen, eine Häufung von nur vier zeitgleich auftretenden MRSA-Infektionen nicht als Beweis für eine Organisationsverschulden der Beklagten wertet, ist somit auch als nur konsequent und richtig zu bewerten.