Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 21.03.2017 – 8 U 228/11

Hintergrund

Die Klägerin hatte 2002 eine Reise in das südliche Afrika gemacht. Wieder in Deutschland traten bei ihr erkältungsähnliche Symptome auf. Zunächst ließen die Beschwerden wieder etwas nach, während eines Hotelaufenthalts verschlechterte sich ihr Zustand jedoch wieder enorm. Es suchte sie der beklagte diensthabende Bereitschaftsarzt auf. Die Klägerin schilderte ihm, dass sie unter Fieber und schwerem Durchfall leide. Insgesamt befand sie sich in einem allgemein geschwächten Zustand. Darüber hinaus sind jedoch weitere Mitteilungen zu früheren Auslandsaufenthalten zwischen den Parteien streitig. Im Anschluss an eine körperliche Untersuchung der Klägerin diagnostizierte der Beklagte ihr einen gastrointestinalen Infekt. Nachdem er ihr Paracetamol verabreicht hatte, verließ er die Klägerin wieder. Deren Zustand verschlechterte sich jedoch weiterhin schnell bis hin zur Bewusstlosigkeit, weswegen die Klägerin dann notärztlich und intensivmedizinisch behandelt wurde. Dabei wurde festgestellt, dass sie an Malaria tropica mit Cerebralbeteiligung erkrankt war. Darüber hinaus wurden ein Exanthem der oberen Thoraxhälfte, ein Hirnödem und cerebrale Krampfanfälle diagnostiziert.  Als Auswirkung davon hat die Klägerin bleibende Sehbeeinträchtigungen erlitten.
Die Klägerin hat nun den behandelnden Arzt auf Schmerzensgeld in Anspruch genommen. Zur Begründung trug sie vor, der Beklagte habe das Vorliegen der Krankheit in vorwerfbarerweise übersehen. Durch eine ordnungsgemäße Behandlung hätten auch das Hirnödem und das Koma, in das die Klägerin vorübergehend gefallen war, vermieden werden können. So wäre es auch nicht zu den Dauerschäden der Klägerin gekommen. Das erstinstanzliche Landgericht hatte verschiedene Sachverständigengutachten eingeholt und den Beklagten daraufhin zu einem Schmerzensgeld von 35.000 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Berufung ein mit dem Antrag, die Klage vollständig abzuweisen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Berufung zurückgewiesen.

Gründe

Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus dem Behandlungsvertrag i.V.m. §§ 280 Abs. 1,  253 Abs. 2 BGB sowie einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bejaht. Dem Beklagten sei sowohl ein vorwerfbarer Diagnosefehler als auch ein weiterer Behandlungsfehler in Form einer unterlassenen therapeutischen Aufklärung unterlaufen. Dabei legte der Senat dar, dass Diagnosefehler nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler zu werten seien, da die Symptome einer Krankheit oftmals nicht eindeutig seien. Vorliegend waren die Beschwerden der Klägerin jedoch sowohl für einen Magen-Darm-Infekt als auch für Malaria kennzeichnend, sodass der Beklagte letzteres zumindest auch in Betracht hätte ziehen müssen, zumal er auch unstreitig von den außereuropäischen Aufenthalten der Klägerin wusste. Er hätte laut Sachverständigem auf jeden Fall den genauen Aufenthaltsort der Patientin erfragen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen, was einen Verstoß gegen bewährte medizinische Behandlungsregeln und eine nicht mehr verständliche Unterlassung darstellt. Trotz der strengeren Voraussetzungen stelle dieser Diagnosefehler somit einen Behandlungsfehler dar. Ein weiterer Behandlungsfehler sei darin zu erblicken, dass der Beklagte der Klägerin nicht empfohlen hat, sich einer weitergehenden Untersuchung in einem Krankenhaus zu unterziehen. Auch damit habe er gegen ärztliche Behandlungsregeln verstoßen und einen aus objektiver Sicht nicht mehr verständlichen Fehler begangen. Zulasten des Beklagten greift demnach unter zwei Gesichtspunkten eine Beweislastumkehr. Es ist somit von einer Ursächlichkeit der Behandlungsfehler für die entstandenen Schäden auszugehen. Der Beklagte hat ein Mitverschulden der Klägerin geltend gemacht, da diese vor ihrer Reise keine Malaria-Prophylaxe vorgenommen hatte. Dies könne sich jedoch nach der Ansicht des Senats nicht auf das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient auswirken. Es mache keinen Unterschied, ob der Patient selbst verschuldet behandlungsbedürftig geworden ist oder nicht. Der Mitverschuldenseinwand greift also nicht. Aufgrund dieser Erwägungen kam der Senat also zur Bejahung des Schmerzensgeldanspruchs und zur Zurückweisung der Revision.

Bewertung

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurts ist zuzustimmen. Der Arzt hat gegen gesicherte medizinische Behandlungsregeln verstoßen. Damit sind ihm Fehler unterlaufen, die einem Arzt in einer solchen Situation wie der damaligen schlechterdings nicht passieren dürfen. Es lagen konkrete Anhaltspunkte für eine Malariaerkrankung vor, sodass der Arzt diese in Betracht ziehen musste. Ferner ist auch der Mitverschuldenseinwand verfehlt – der Arzt kann aus den Umständen, die zu der Behandlung des Patienten geführt hatten, keine Entlastung seiner Verantwortlichkeit herleiten.