Hintergrund

Um die Bewältigung der Auswirkungen der Covid19-Pandemie gewährleisten zu können, plant das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Gebrauchmachung der seit Ende März im Schnellverfahren durch das Parlament im Zuge der Covid19-Pandemie beschlossenen Rechtsgrundlage des § 14 Abs. 4 Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Diese ermächtigt das BMAS ohne Zustimmung des Bundesrates zum Erlass von Rechtsverordnungen, die bundeseinheitlich Ausnahmen von Arbeitszeitvorschriften regeln. Es gibt bereits einen ersten Referentenentwurf.

Entwurf

Die Erlassbefugnis gilt ausschließlich im Falle einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz. Die in ihr enthaltenen Ausnahmen zu den Arbeitszeitvorschriften dürfen zudem nur einen befristeten Zeitraum andauern. Voraussetzung ist, dass die Tätigkeiten, für die die Ausnahmen gelten sollen, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig sind. Dazu gehören unter anderem die Produktion, das Verpacken, Liefern und Einräumen von Waren des täglichen Bedarfs sowie Arzneimittel, Medizinprodukte und andere apothekenübliche Artikel. Erfasst sind zudem medizinische oder pflegerische Tätigkeiten, aber auch solche in Gerichten, Behörden, der Energie- und Wasserversorgung, der Abfallentsorgung und „Verkaufsstellen“, zu denen ausweislich der Begründung auch Apotheken zählen. Ausdrücklich eingeschlossen sind auch Lieferdienste von Apotheken.

Konkret geht es in dem Referentenentwurf um die Zulässigkeit längerer Höchstarbeitszeiten und kürzerer Mindestruhezeiten sowie um die Zulässigkeit von Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen für den befristeten Zeitraum. Die Höchstarbeitszeit darf abweichend von den Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes von derzeit acht auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden. Einschränkend heißt es im Entwurf jedoch: „Dies gilt nur, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende, organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann“. Die wöchentliche Arbeitszeit darf 60 Stunden nicht überschreiten. Die täglichen Mindestruhezeiten können um bis zu zwei Stunden verkürzt werden, dürfen aber neun Stunden nicht unterschreiten. Voraussetzung ist, dass innerhalb von vier Wochen ein Ausgleich stattfindet, beispielsweise in Form freier Tage. Das Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot wird gelockert, um bei Bedarf auch dann arbeiten zu können. Grundsätzlich gilt allerdings, dass dies nur zulässig ist, wenn die Arbeit nicht an Werktagen erledigt werden kann.

Es ist vorgesehen, dass die Sonderregelungen bis zum 31.07.2020 gelten. Die Verordnung tritt sodann automatisch außer Kraft.

Bewertung

Im Hinblick auf die Notwenigkeit der effizienten Bekämpfung der Covid19-Pandemie, wozu die Flexibilität in oben genannten systemrelevanten Berufsgruppen von enormer Wichtigkeit ist, sind die Ausnahmen zum Arbeitszeitgesetz zu begrüßen. Sie machen es möglich, der unvorhersehbaren derzeitigen Situation in arbeitsrechtlich zulässiger Art und Weise zu begegnen und auf Veränderungen der Lage dynamisch und flexibel reagieren zu können. Durch bestimmte Einschränkungen in der Rechtverordnung – wie beispielsweise die Aufhebung des Sonn- und Feiertagsarbeitsverbots nur in Fällen, in denen die Arbeit werktags nicht möglich oder allein nicht zu bewältigen ist oder die Verlängerung der Höchstarbeitszeiten nur, wenn bestimmte organisatorische Maßnahmen nicht zum gleichen Ergebnis führen – ist zudem die Angemessenheit der Maßnahmen gewahrt.

Julia Wulf
Rechtsanwältin