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Familienrecht: Persönlicher Wunsch des Betreuten hat Vorrang bei der Auswahl des Betreuers

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.10.2024 – XII ZB 217/23

Hintergrund

Der Bundesgerichtshof urteilte in dem vorliegenden Fall darüber, ob es zulässig ist, einer zu betreuenden Person den von ihr gewünschten Betreuer zuzuordnen, anstatt den gerichtlich bestellten Betreuer einzusetzen, selbst wenn dieser objektiv geeigneter wäre.

Die Betroffene ist eine im Jahre 1985 geborene, an dem Asperger-Syndrom leidende Frau, für die seit dem Jahr 2014 eine rechtliche Betreuung angeordnet ist, wobei diese Betreuung auf die Gebiete der Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialversicherungsträgern, Öffnen und Anhalten von Post bezogen ist.

Im September 2022 hatte die Betroffene ihre Mitwirkung in einem sozialgerichtlichen Verfahren, welches ihre Aufnahme in die Familienversicherung erreichen sollte, die Entbindung ihrer Ärzte von der Schweigepflicht verweigert und sich dabei auf den Rat ihrer Mutter berufen. Das entsprechende Verfahren war infolgedessen zum Erliegen gekommen, und das Sozialamt hat seine geleisteten Beitragszahlungen an die Krankenkasse unter Berufung auf die fehlende Mitwirkung der betroffenen Erkrankten eingestellt.

Daraufhin wurde von dem gerichtlich bestellten Betreuer angeregt, die Betreuung auf die Bereiche der Gesundheitssorge zu erweitern. Dem entsprach das zuständige Amtsgericht Burg und erweiterte die eingerichtete Betreuung um den genannten Bereich, wobei der bisherige Betreuer auch insoweit erneut als Betreuer bestellt wurde.

Dagegen wandte sich die Mutter der Erkrankten mit einer Beschwerde an das Landgericht Stendal und beantragte, selber als Betreuerin für die Betroffene eingesetzt zu werden. Das Landgericht Stendal wies die Beschwerde zurück, woraufhin sich die Betroffene, vertreten durch ihre Mutter, an den Bundesgerichtshof wandte.

Gründe

Der Bundesgerichtshof entsprach dem Antrag der Betroffenen und ihrer Mutter und urteilte, dass die Erweiterung einer bestehenden Betreuung gegen den Willen des Betroffenen erfolgen würde, wenn der Betroffene sein Einverständnis zu dieser Erweiterung nur unter der Bedingung der Einsetzung einer von ihm gewünschten Person als Betreuer erteilen würde.

Das Landgericht Stendal hatte die Mutter der Betroffenen als ungeeignet für die Besorgung der Aufgaben als Betreuerin angesehen, da nicht sichergestellt sei, dass sie stets die Vertretung der Betroffenen angemessen und interessengerecht vornehmen würde, wie etwa das Verhalten in der Vergangenheit belegen würde.

Der Bundesgerichtshof hielt dies nicht für vertretbar und führte dazu aus, dass § 1814 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) festlegt, dass gegen den Willen eines volljährigen Betroffenen ein Betreuer nicht bestellt werden darf. Vorliegend hat die Betroffene sich zwar grundsätzlich damit einverstanden erklärt, die Betreuung auf den Bereich der Gesundheitssorge zu erweitern, jedoch hat sie gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass sie mit der Person des bisherigen Betreuers nicht einverstanden sei und ihr Einverständnis zu der Erweiterung daher an die Einsetzung ihrer Mutter als Betreuerin knüpfen würde.

Die Entscheidung des Betroffenen, sich einen bestimmten Betreuer zu wünschen, ist zu respektieren, selbst wenn der bisher eingesetzte Betreuer aus objektiven Gesichtspunkten besser als Betreuer geeignet wäre. Wichtig ist dabei jedoch, dass die Entscheidung zugunsten der Person des Betreuers auf einer freien Willensbildung beruhen muss. Ob die Entscheidung der Erkrankten, ihre Mutter als Betreuerin einzusetzen, auf ihrem freien Willen beruhte, ist aus Sicht des Bundesgerichtshofs nicht ausreichend geklärt, weshalb das Verfahren insofern an das Landgericht zurückverwiesen wurde.

Bewertung

Entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung stärkt der Bundesgerichtshof mit diesem Urteil weiter die Rechte von volljährigen zu betreuenden Personen. Eine Betreuung kann eingerichtet werden, wenn feststeht, dass die betroffene Person etwa aufgrund von krankheitsbedingten oder auf eine Behinderung zurückzuführenden Einschränkungen nicht in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen und hierzu eigenverantwortlich sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Die Betreuung ist dabei stets auf das Minimum und auf gewisse Aufgabenbereiche zu umgrenzen.

Entgegen des Willens eines Betroffenen kann ein Betreuer nicht bestellt werden, daher hat der Betroffene hierein einzuwilligen. Besonders hinsichtlich der Person des Betreuers hat der Betroffene ein Mitbestimmungsrecht, welches hinreichend zu berücksichtigen ist, selbst wenn die ausgewählte Person, etwa verglichen mit einem gerichtlich bestellten Betreuer, weniger geeignet ist.

Auch wenn die Mutter der Betroffenen im vorliegenden Fall dazu beitrug, dass das Sozialamt seine Beitragszahlungen an die Betroffene einstellte, indem sie der Betroffenen riet, ihre Ärzte nicht von der Schweigepflicht zu entbinden, ist sie dennoch als Betreuerin einzusetzen, sofern dies dem Interesse der Betroffenen entspricht.

Matthias Gollor
Anwalt für Familienrecht

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