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Arbeitsrecht: Angabe von Kündigungsgründen bei einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 20.02.2024 – C 715/20, Pressemitteilung Nr. 29/24

Hintergrund

Der Europäische Gerichtshof hatte sich vorliegend mit der Frage zu beschäftigen, ob einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer die Gründe seiner ordentlichen Kündigung mitzuteilen sind, wenn eine solche Mitteilung regelmäßig gegenüber Dauerbeschäftigten erfolgt.

Ausschlaggebend war ein Fall vor einem polnischen Gericht, bei dem ein gekündigter Arbeitnehmer geltend machte, dass seine Kündigung nicht gerechtfertigt sei und die Kündigung ferner Kündigungsgründe enthalten müsse. Der Arbeitnehmer war bei seinem Arbeitgeber im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages angestellt, dieser wurde ordentlich gekündigt, wobei Kündigungsgründe nicht angegeben wurden.

Dagegen wandte der Kläger ein, dass eine fehlende Angabe von Kündigungsgründen sowohl gegen polnisches als auch insbesondere gegen Unionsrecht verstoße. Im polnischen Recht ist die Angabe von Kündigungsgründen bei der Beendigung von unbefristeten Arbeitsverträgen zwingend gesetzlich vorgesehen. Daher sah der Kläger den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verletzt, wenn bei der Kündigung eines befristeten Arbeitsvertrages die Gründe nicht angegeben würden.

Das polnische Gericht wandte sich daher im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof, um klären zu lassen, ob es mit Unionsrecht unvereinbar ist, wenn je nach Art des betroffenen Arbeitsverhältnisses verschiedene Anforderungen an eine wirksame Kündigung gestellt werden dürfen. Konkret ging es dabei um die Vereinbarkeit solcher nationaler Regelungen mit der unionsrechtlichen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 28.06.1999. Des Weiteren wollte das Gericht wissen, ob diese Vereinbarung im Rahmen von privatrechtlichen Rechtsstreitigkeiten anwendbar ist.

Gründe

Der Europäische Gerichtshof hat betont, dass eine nationale Gesetzesvorschrift keine unterschiedlichen Vorgaben hinsichtlich der Bekanntgabe von Kündigungsgründen im Falle der Beendigung eines befristeten und eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses machen darf. Ist dies der Fall, so wird das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf des befristet angestellten Arbeitnehmers verletzt.

Die genannte Rahmenvereinbarung von 1999 verfolgt den Zweck, die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen zu verbessern. Dabei soll der Grundsatz der Nichtdiskriminierung angewendet werden. Erfährt ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer die Gründe seiner Kündigung nicht, so kann er weniger effektiv nachprüfen, ob seine Kündigung gerechtfertigt ist oder ob er sich gegen diese wehren kann. Fehlt ihm diese Information, so kann er in seinen Möglichkeiten zur Einlegung von Rechtsbehelfen eingeschränkt sein, da er nicht beurteilen kann, ob eine Klageerhebung erfolgreich sein könnte.

Während für einen unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer andere Regeln im polnischen Recht gelten, wird ein Arbeitnehmer mit einem befristeten Arbeitsvertrag daher benachteiligt. Bloß die Tatsache, dass Letzterer lediglich temporär beschäftigt wird, kann eine solche Ungleichbehandlung nach Ansicht des Gerichts nicht rechtfertigen. Ein befristeter Arbeitsvertrag soll Flexibilität garantieren – dies wird jedoch durch die Bekanntgabe von Kündigungsgründen nicht unterminiert.

Hinsichtlich der zweiten Frage stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass die Rahmenvereinbarung zwar zwischen Privatpersonen nicht zur Anwendung komme, die nationale Regelung jedoch trotzdem unionsrechtswidrig sei, da sie das in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgeschriebene Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletze. Daher dürfe die nationale polnische Regelung insofern nicht zu Anwendung kommen, als dadurch dieses Grundrecht verletzt werde.

Bewertung

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs stärkt die Rechte von befristet beschäftigten Arbeitnehmern, da diese gegenüber Arbeitnehmern mit unbefristeten Verträgen nicht benachteiligt werden dürfen.

Dies kann zum einen aus der unionsrechtlichen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge in Verbindung mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung folgen, soweit es sich um Arbeitsverhältnisse handelt, die nicht lediglich zwischen Privatpersonen geschlossen wurden. Auch wenn sie Privatpersonen sind, dürfen die Arbeitgeber ihre befristeten Angestellten jedoch nicht schlechter behandeln, da diese sonst in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz eingeschränkt werden.

Eine dem polnischen Recht vergleichbare Regelung, nach der die Kündigungsgründe bei einem vormalig unbefristeten Arbeitsverhältnis mitgeteilt werden müssen, existiert im deutschen Recht nicht. Das deutsche Arbeitsrecht sieht eine Mitteilung von Kündigungsgründen weder bei befristeten noch bei unbefristeten Verträgen vor. Dennoch ist diese Entscheidung in einem internationalen Kontext interessant.

Hagen Albus
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.

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