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Arbeitsrecht: Arbeitnehmergemeinschaft von „Crowdworkern“

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.12.2020 – 9 AZR 102/20

Hintergrund

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, welches durch Nutzer einer Online-Plattform („Crowdworker“) die Präsentation von Markenprodukten im Einzelhandel und an Tankstellen kontrolliert. Die Crowdworker fertigen im Rahmen einer Rahmenvereinbarung Fotos von der Warenpräsentation an und beantworten Fragen zur Werbung der Produkte. Jeder Nutzer kann über einen persönlich eingerichteten Account Aufträge von bestimmten Verkaufsstellen annehmen, ohne dazu vertraglich verpflichtet zu sein. Innerhalb von zwei Stunden muss der Crowdworker den Auftrag nach detaillierten Vorgaben erledigen. Im Gegenzug erhält ein Crowdworker Erfahrungspunkte, welche mit der Anzahl erledigter Aufträge vom System erhöht werden und die Annahme mehrerer Aufträge gestattet.

Der Kläger führte in einem Zeitraum von elf Monaten 2978 Aufträge für die Beklagte aus. Im Februar 2018 erhielt er eine Mitteilung, dass ihm zur Vermeidung künftiger Unstimmigkeiten keine weiteren Aufträge mehr angeboten werden. Er beantragte mit seiner Klage zunächst festzustellen, dass zwischen ihm und der Beklagten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Im Juni 2019 kündigte die Beklagte ein etwaig bestehendes Arbeitsverhältnis vorsorglich. Der Kläger erweiterte daraufhin seine Klage um einen Kündigungsschutzantrag.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen und das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses verneint. Dagegen legte der Kläger Revision ein, womit er teilweise Erfolg hatte.

Gründe

Das Bundesarbeitsgericht bejahte zum Zeitpunkt der vorsorglichen Kündigung ein Arbeitsverhältnis der beiden Parteien.

Auf die Bezeichnung des Vertrags komme es bei tatsächlicher Durchführung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis nicht an. Aus der Gesamtwürdigung der Umstände ergibt sich, dass Crowdworker als Arbeitnehmer anzusehen sind. Die Arbeitnehmereigenschaft hängt gemäß § 611a BGB davon ab, ob der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform derart steuert, dass der Auftragnehmer infolge dessen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten kann. Der Kläger leistete weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit.

Zwar war der Kläger nicht zu Annahme von Aufträgen verpflichtet, jedoch wird erst durch ein erhöhtes Level an Bewertungssystemen die gleichzeitige Annahme von Aufträgen möglich, sodass sich durch dieses Anreizsystem der Stundenlohn erhöht.

Die Revision des Klägers wurde gleichwohl überwiegend zurückgewiesen, da die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich gekündigt hatte. Über die übrigen, vom Kläger verlangten Vergütungsansprüche wird das Landesarbeitsgericht nochmals entscheiden.

Bewertung

Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts wurde die offene Frage, wie diese moderne Form der Zusammenarbeit zu qualifizieren ist, geklärt. Hinsichtlich des Vergütungsanspruches lässt sich jedoch bereits im Vorhinein feststellen, dass die reine Bejahung des Arbeitsverhältnisses keine Grundlage darstellt, auf Basis derer die für einen freien Mitarbeiter vereinbarte Vergütung auch der Vergütung für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer entspricht. Geschuldet ist die übliche Vergütung gemäß § 612 Abs. 2 BGB.

Julia Wulf
Rechtsanwältin

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