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Familienrecht: Keine Durchsetzbarkeit von elterlichen Umgangsvereinbarungen mittels Vertragsstrafen

Bundesgerichtshof, Urteil vom 31.01.2024 – XII ZB 385/23, Pressemitteilung Nr. 36/2024 vom 27.02.2024

Hintergrund

Der Bundesgerichthof befasste sich in dem vorliegenden Fall mit der Zulässigkeit einer Vereinbarung hinsichtlich des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind und der Einbeziehung von Vertragsstrafen und Klauseln, die einer Solchen ähnlich sind.

Antragstellerin war eine Mutter, die im Jahre 2002 den Antragsgegner geheiratet und mit diesem im Jahr 2007 eine Tochter und im Jahr 2012 einen Sohn bekommen hatte. Der Vater arbeitet und lebt in Deutschland, wo auch der letzte gemeinsamen Aufenthalt der Eltern lag. Die Mutter hat eine Staatsangehörigkeit zu Peru, wohin sie im Jahr 2011 mit der gemeinsamen Tochter auswanderte und wo sie auch den Sohn zur Welt brachte.

Die Ehe zu dem Antragssteller wurde im Jahr 2017 rechtskräftig geschieden. Einen Umgang des Vaters mit den Kindern erlaubte die Mutter lediglich, wenn der Vater zu Besuch in Peru war. Die Ehe der beiden Parteien war als Zugewinngemeinschaft geführt worden, die Antragstellerin forderte einen Zugewinnausgleich von 80.000 €. Vor dem Amtsgericht München wurde ein Vergleich geschlossen, der besagte, dass der Antragsgegner drei jährliche Raten von jeweils 20.000 € zu zahlen habe, um seine güterrechtlichen Schulden zu begleichen.

Dabei sollten diese Raten stets erst dann fällig werden, wenn der Vater zuvor einen dreiwöchigen persönlichen Umgang mit den Kindern in Deutschland gepflegt habe. Dieser Vergleich wurde zunächst gerichtlich von dem Amtsgericht München gebilligt, die Antragstellerin wandte sich jedoch alsbald gegen diesen Vergleich mit der Begründung, dass das Kindeswohl nicht hinreichend geprüft worden wäre und der Vergleich daher für nichtig zu erklären sei.

Das Amtsgericht München hielt das Zugewinnausgleichsverfahren mit dem Vergleich für beendet, woraufhin die Mutter sich mit einer Beschwerde an das Oberlandesgericht München wandte. Dieses lehnte den Antrag der Mutter jedoch ab, weshalb diese ihr Begehren mit einer Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof weiterverfolgte – mit Erfolg.

Gründe

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist der getroffene Vergleich sittenwidrig, da die Zahlung der Raten nicht von der Gewährung des persönlichen Umgangs mit den Kindern abhängig gemacht werden dürfe.

Zwar ist es nicht per se unzulässig, eine persönliche Umgangsvereinbarung zwischen den Eltern mit der Beilegung vermögensrechtlicher Streitigkeiten zu verbinden. Es ist jedoch stets der Gedanke der Unzulässigkeit der Kommerzialisierung des Umgangsrechts zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung derartiger Vertragsstrafen oder vertragsähnlicher Klauseln ist daher die Gefahr, dass die Ausgestaltung und Gewährung des Umgangs in den Dienst der wirtschaftlichen Interessen der Kinder gestellt werden, zu bedenken. Das Kind darf dabei kein „Objekt des Handels“ werden, und dem Kindeswohl muss Genüge getan werden.

Diese Grenze ist jedenfalls überschritten, wenn der persönliche Umgang erzwungen werden soll, ohne, dass im Einzelnen eine gerichtliche Kontrolle des Kindeswohls möglich ist. Vorliegend ist es dem Antragssteller durch Zurückhaltung der Zahlungen möglich, einen wirtschaftlichen Druck auf die Antragstellerin auszuüben, somit kommt die Regelung der einer Vertragsstrafe gleich. Das Kindeswohl wurde dabei nicht hinreichend durch das Gericht berücksichtigt.

Der Bundesgerichtshof sah eine andere Beurteilung dieses Falles auch nicht durch den Auslandsbezug gerechtfertigt, da zwar grundsätzlich gerade in Fällen mit Auslandsberührung vertragsstrafenbewährte Umgangsvergleiche vorzugswürdig erscheinen können, um das Umgangsrecht effektiver durchsetzen zu können, jedoch müssen auch in diesem Fall derartige Klauseln Kindeswohleinreden berücksichtigen und gewährleisten.

Vorliegend hat der vor dem Amtsgericht München geschlossene Vergleich das Kindeswohl jedoch nicht hinreichend kontrolliert, sodass die Antragstellerin einem möglichen Ausbleiben der jährlichen Raten selbst dann nicht entgegenwirken könnte, wenn der festgelegte Umgang der Kinder mit dem Vater in Deutschland dem Kindeswohl nicht dienen würde.

Bewertung

Der Bundesgerichtshof hat mit dem vorliegenden Urteil festgestellt, dass ein Vergleich, der die Zahlung von güterrechtlichen Ansprüchen von der Gewährung des Umgangs mit den Kindern abhängig macht, nicht zulässig ist. Zum einen dürfe das Umgangsrecht nicht kommerzialisiert werden und zum anderen solle stets das Kindeswohl im Vordergrund stehen.

§ 156 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) legt fest, dass das Gericht einen über den Umgang geschlossenen Vergleich zwischen den Eltern zu billigen hat und diese Billigung nur erfolgen darf, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht. Die vorliegende Regelung entsprach nicht dem Kindeswohl und ist obendrein sittenwidrig.

Daher hob der Bundesgerichtshof die vorherige Entscheidung auf und verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht, welches nun klären muss, ob die Eltern den Vergleich hinsichtlich der güterrechtlichen Forderungen auch dann geschlossen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass die Fälligkeit der Geldzahlungen nicht an die Gewährung des Besuchsrecht geknüpft werden darf.

Julia Wulf
Anwältin für Familienrecht

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