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Arbeitsrecht: Keine Benachteiligung einer nicht-binären Person bei Stellenbesetzung einer Gleichstellungsbeauftragten

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 24.02.2023 – 16 Sa 671/22

Hintergrund

Bei dem Kläger handelt es sich um eine nicht-binäre Person, die sich auf die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten beworben hatte. Der Kläger forderte eine Entschädigungszahlung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, da er aufgrund seines Geschlechts zu Unrecht benachteiligt worden sei.

Die Beklagte ist eine Hochschule, die eine Stelle als Gleichstellungsbeauftragte ausschrieb, wobei § 42 Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG) vorschreibt, dass ein solches Amt durch eine Frau besetzt werden soll. Die Bewerbung des Klägers als nicht-binäre Person berücksichtigte die Hochschule für die Stellenbesetzung nicht. Dies begründete die Hochschule mit dem Einwand, sie sähe sich schon formell aufgrund der Regelung des NHG nicht zu der Einstellung einer nicht weiblichen Bewerberin berechtigt.

Die klägerische Forderung auf Entschädigungszahlung wurde erstinstanzlich durch das Arbeitsgericht Braunschweig abgewiesen. Die Berufung des Klägers vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen blieb ebenfalls ohne Erfolg.

Gründe

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat zunächst eine Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber den weiblichen Bewerberinnen bejaht. Eine solche Ungleichbehandlung könne jedoch nach § 8 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz zulässig sein. Dieser statuiert, dass eine Ungleichbehandlung etwa aufgrund des Geschlechts legitim sein kann, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Ferner müssen der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen sein.

So könne etwa eine Ungleichbehandlung aufgrund der Vorgaben des § 42 NHG zulässig sein, wenn eine auf diese gesetzliche Bestimmung gestützte Maßnahme dadurch gerechtfertigt sein könnte. Die Vorgaben des § 8 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz müssten insofern inhaltlich erfüllt werden.

Das Geschlecht des Stelleninhabers könnte eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen, wenn die fragliche Arbeit ohne das Merkmal eines bestimmten Geschlechts jedenfalls nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, wobei konkret auf die auszuübende Tätigkeit abgestellt werden sollte.

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist im vorliegenden Fall mit Blick auf den konkreten Aufgabenbereich das Geschlecht eine unverzichtbare Voraussetzung. Die Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten lägen in der Verwirklichung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, der Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Entwicklung diesbezüglich geeigneter Maßnahmen.

Grundsätzlich könne ein Mann diesen Tätigkeiten in gleicher Weise wie eine Frau nachkommen. Jedoch enthielte die Stellenanzeige der beklagten Hochschule einen nicht unerheblichen Teil an Aufgaben, für den dies nicht gelten würde. Die Stellenanzeige der Beklagten umfasste die Zuständigkeit für Beratungen von Hochschulangehörigen hinsichtlich der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Studium und Beruf mit Familien- und Pflegeaufgaben sowie in Fällen von Diskriminierung, sexueller Belästigung etc.

Insbesondere für den Aufgabenbereich der Gleichstellungsbeauftragten als Ansprechpartnerin bei sexuellen Belästigungen aufzutreten, deren Hauptbetroffene Frauen sind, sei das Geschlecht der Gleichstellungsbeauftragten maßgebend. Um diese Aufgabenbereiche authentisch wahrnehmen zu können, sei eine bestimmte Geschlechterzugehörigkeit legitim und notwendig. So könne etwa Schamgefühlen der Betroffenen entgegengewirkt werden und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Um eine hinreichende Beratung von Opfern von Diskriminierung zu gewährleisten, könne daher eine Zugehörigkeit der Gleichstellungsbeauftragten zu dieser Gruppe erforderlich sein.

Dieser Notwendigkeit der Geschlechtszugehörigkeit haftet somit kein diskriminierender Charakter an. Die Hochschule durfte mithin basierend auf § 42 NHG nur Bewerbungen von Frauen auf die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten berücksichtigen.

Bewertung

Ein Anspruch des Klägers auf Entschädigungszahlung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz besteht nicht, da die Ungleichbehandlung gerechtfertigt war. Die beklagte Hochschule durfte den Bewerberkreis lediglich auf Bewerberinnen beschränken, soweit sie dafür legitime Gründe anführen konnte.

Aus der Stellenbeschreibung der Hochschule gingen insbesondere Zuständigkeiten der Gleichstellungsbeauftragten hervor für Bereiche, die statistisch gesehen eher von Frauen in Anspruch genommen werden. Eine solche Stelle demnach mit einer weiblichen Person als Ansprechpartner zu besetzen kann Vertrauen fördern und zu einer höheren Inanspruchnahme der Angebote durch Betroffene führen.

Diese Erwägungen hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen aufgegriffen und die Anforderungen des § 8 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz an die gesetzliche Beschränkung des § 42 NHG erfüllt gesehen, sodass eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung des Klägers bejaht wurde.

Claudia Lorig
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.

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