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Medizinrecht: Vergütungsanspruch beim „Göttinger Transplantationsskandal“ besteht

Bundessozialgericht, Urteil vom 07.03.2023 – B 1 KR 3/22 R, Pressemitteilung Nr. 7 vom 08.03.2023

Hintergrund

Bei dem „Göttinger Transplantationsskandal“ geht es darum, dass vor zehn Jahren ein im Universitätsklinikum Göttingen tätiger Arzt mithilfe von Falschangaben an Eurotransplant dafür sorgte, dass seine Patienten dort auf der Warteliste für eine Organspende weiter nach oben rückten.

Es klagte daraufhin die gesetzliche Krankenkasse von betroffenen Patienten, die für die Transplantationen rund 157.000,00 EUR an das Universitätsklinikum Göttingen gezahlt hatte. Aufgrund des Verstoßes gegen das Transplantationsgesetz forderte die Krankenkasse den Betrag zurück.

Das Universitätsklinikum Göttingen erwiderte daraufhin, dass der Zahlungsanspruch bestehe, da die Transplantationen medizinisch notwendig waren und fachgerecht durchgeführt wurden. Zudem habe die Klinik keine Kenntnis von dem Fehlverhalten des Arztes gehabt.

In erster Instanz gab das Sozialgericht der Krankenkasse Recht und verneinte damit einen Vergütungsanspruch der Klinik. Das Landessozialgericht gab hingegen der Klinik Recht. Lesen Sie hier unseren Beitrag über das Verfahren in zweiter Instanz.

Die dagegen eingelegte Revision der Krankenkasse war nun vor dem Bundessozialgericht ohne Erfolg.

Gründe

Der Vergütungsanspruch der Klinik für eine medizinisch erforderliche Transplantation eines im vorgesehenen Verfahren zugeteilten Organs entfällt nicht dadurch, dass die Klinik falsche Angaben zur Dringlichkeit der Transplantation an Eurotransplant gemeldet hat.

Es steht fest, dass die Organtransplantationen medizinisch indiziert waren und einwandfrei durchgeführt wurden. Verletzt wurden nur die Regelungen zur Meldung der für die Organzuteilung erforderlichen Angaben. Diesen Regelungen kommt aber keine Vergütungsrelevanz zu.

Die Vorschriften über die Organverteilung und die damit verbundenen Meldepflichten haben keine qualitätssichernde Zielrichtung. Sie dienen der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit. Ihre Einhaltung ist keine Voraussetzung der Leistungserbringung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Es wurde vom Senat auch nicht verkannt, dass das Vertrauen in ein gerechtes Verteilungssystem für Spenderorgane durch Manipulationen nachhaltig beschädigt wird. Für die Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs spielen diese Gerechtigkeitserwägungen nach dem hier maßgeblichen Recht aber keine Rolle.

Zur Sanktionierung von Falschmeldungen gegenüber Eurotransplant hat der Gesetzgeber in der Folge des Transplantationsskandals 2013 einen Straftatbestand geschaffen. Darüber hinaus ist aber weder die Transplantation des im Zusammenhang mit einer Falschmeldung zugeteilten Organes verboten, noch der Vergütungsanspruch ausdrücklich ausgeschlossen.

Bewertung

Das Bundessozialgericht bestätigte die Entscheidung des Landessozialgerichts, welches bereits einen bestehenden Vergütungsanspruch des Universitätsklinikums Göttingen bejaht hatte. Demnach bleibt der Vergütungsanspruch von dem Verstoß gegen das Transplantationsgesetz unberührt.

Als der Transplantationsskandal damals öffentlich wurde, wurde in der Folge geregelt, dass eine Falschmeldung gegenüber Eurotransplant eine Straftat darstellt. Man geht also davon aus, dass vom Gesetzgeber weitere Regelungen hinsichtlich des Vergütungsanspruchs getroffen worden wären, wenn es die Intention des Gesetzgebers gewesen wäre, die Vergütung in einer solchen Situation entfallen zu lassen. Dies war aber nicht der Fall.

Das Bestehenbleiben des Vergütungsanspruchs führt deshalb nicht etwa zu einem Anreiz von Ärzten und Kliniken, mithilfe solcher Falschangaben schneller an Organspenden zu gelangen. Vielmehr stellt dieses Verhalten mittlerweile eine Straftat dar. Richtigerweise ist der Vergütungsanspruch unabhängig von der Manipulation zu bewerten.

Lisa Lang
Rechtsanwältin

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