Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.12.2019 – 8 AZR 2/19, Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht Nr. 48/19
Hintergrund
Der Kläger hatte sich erfolglos auf eine Stelle als Sportlehrer bei der beklagten Waldorfschule beworben. Ausgeschrieben war die Stelle für eine „Fachlehrerin Sport (w)“.
Nun verlangte der Kläger eine Entschädigung (nach § 15 Abs. 2 AGG). Sein Begehren begründete er mit einer mutmaßlichen Benachteiligung wegen seines Geschlechts durch die Beklagte, denn nach dem AGG sind Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts unzulässig. Die Beklagte sah eine Benachteiligung wegen des Geschlechts (nach § 8 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes) jedoch als gerechtfertigt und damit zulässig an. Männliche Lehrkräfte könnten im Falle erforderlicher Hilfestellung bei bestimmten Übungen im Sportunterricht oder bei erforderlichem Betreten der Umkleidekabinen zur Herstellung von Ordnung das Schamgefühl von Schülerinnen betreffen.
Dieser letzteren Auffassungen folgten sowohl Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) und wiesen folgerichtig die Klage ab. Jedoch hat der Kläger im Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) Erfolg. Die Erfurter Richter urteilten, dass eine Tätigkeit als Sportlehrer unabhängig vom Geschlecht zu betrachten ist. Das BAG sprach dem Kläger auf dieser Grundlage dem Grunde nach einen Entschädigungsanspruch nach zu.
Gründe
Die Richter des achten Senates sind der Auffassung, dass der Beklagte nicht entsprechend des AGG und des Unionsrecht dargetan hat, dass „für die streitgegenständliche Stelle ein geschlechtsbezogenes Merkmal eine wesentliche und entscheidende sowie angemessene berufliche Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG ist“.
Mangels entsprechender Feststellungen durch das LAG konnte das BAG über die Höhe einer Entschädigung nicht entscheiden, sodass es die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwies.
Bewertung
Das BAG zieht die Grenzen, in denen nur bestimmte Geschlechter für bestimmte Aufgaben angefordert werden dürfen, strikt und eng. Man mag die Entscheidung aus der Perspektive sogenannter klassischer Geschlechterbilder kritisieren mögen, und im Streitfall gleichzeitig erörtern, dass der Lehrplan des Landes Bayern einen Unterricht für Schülerinnen ausschließlich durch weibliche Lehrkräfte vorsieht, aber das BAG legt das gegenüber dem Landesrecht Bayern höherrangige AGG restriktiv aus. Die Entscheidung steht so im Gleichklang mit der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung aus Karlsruhe.
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