Permalink

0

Medizinrecht: Zweifel an der gesundheitlichen Eignung zur Ausübung des Arztberufs

Oberverwaltungsgericht Lüneburg vom 13. März 2019 – 8 ME 18/19

Hintergrund

Die Antragstellerin wurde am 21.01.2019 vom Antragsgegner dazu aufgefordert, sich einer fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Diese sollte der Feststellung darüber dienen, ob ihr Gesundheitszustand ausreicht, um einen ärztlichen Beruf auszuüben, da aufgrund einer anonymen Meldung Zweifel daran bestünden.

Die Antragstellerin sei opiatabhängig. Die Betäubungsmittelrezeptanforderungen seien 2018 deutlich angestiegen. Besonders das Medikament „Dolantin 100 mg 20 Ampullen“ sei, obwohl es für den üblichen Sprechstundenbedarf nicht gebraucht werde, der Antragstellerin aber zuvor von sich selbst verordnet wurde, in erhöhtem Maße verordnet worden. Das Medikament sei unter anderem auch ihrem Ehemann und Sohn in der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung festgelegten Höchstmengen verordnet worden.

Der Antragstellerin wurde ein Untersuchungstermin am 21.02.2019 mitgeteilt. Am 20.02.2019 beantragte sie eine einstweilige Anordnung, um dem Antragsgegner zu untersagen, ihre gesundheitliche Eignung zur Berufsausübung aufgrund der Anordnung vom 21.01.2019 untersuchen zu lassen.

Am 21.02.2019 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag durch Beschluss ab, da das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da der Antrag, ohne einen sachlichen Grund mitzuteilen, spät gestellt wurde. Zudem habe sie den Anordnungsanspruch nicht glaubhaft geltend gemacht.

Die Ablehnung des Antrags durch das Verwaltungsgericht wurde vom Oberverwaltungsgericht für rechtsfehlerhaft erklärt. Das OVG entschied, dass der Antrag zulässig und begründet ist.

Gründe

Es ist jedoch statthaft, einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Anordnung der fachärztlichen Untersuchung zu stellen.

Ein Rechtsschutzbedürfnis fehle, wenn ein Antrag ohne sachlichen Grund zu spät gestellt wird. Zudem müsste die Antragstellung begründet werden. Ansonsten sei der Antrag nicht statthaft. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz dürfe nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Antrag zu kurz vor der Maßnahme gestellt worden sei. Das Rechtsschutzbedürfnis entfiele selbst dann nicht, wenn der Betroffene selbst für die Eilbedürftigkeit gesorgt hätte.

Ein unzumutbarer Nachteil bestehe dann, wenn eine psychiatrische Exploration in der Untersuchungsanordnung enthalten wäre, da diese geeignet ist, grundrechtsrelevante Eingriffe in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 GG sowie in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Probanden gem. Art. 2 Abs. 1 iVm Art 1 Abs. 1 GG darzustellen. Im Rahmen eines solchen Gesprächs kann es zu umfangreichen Einblicken in das Privatleben des Probanden kommen, die für ihn weitreichende Konsequenzen haben können.

Eine fachärztliche Untersuchung sei dennoch geboten, sobald erhebliche Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin bestehen. Die Maßnahme dürfte allerdings nicht willkürlich oder aus der Luft gegriffen erscheinen bzw. auf in sich nicht schlüssigen Hinweisen beruhen.

Der Umfang der Untersuchungsmethode und welche Untersuchungsmethode angewendet wird, muss hinreichend klar bestimmt sein. Dies kann sich bereits daraus ergeben, dass das medizinische Fachgebiet festgelegt wird, in dem die Untersuchung erfolgen soll.

Aufgrund der fehlenden Klarheit bzgl. der Untersuchungsmethode ist es dem Antragsgegner vorläufig untersagt, die gesundheitliche Berufseignung der Antragstellerin untersuchen zu lassen.

Anders verhielte es sich aufgrund der stark gegensätzlichen Interessen des Dienstherrn und der Allgemeinheit bzgl. der Vermeidung finanzieller Belastungen des Haushalts durch eine Zur-Ruhe-Setzung.

Beurteilung

Das OVG Lüneburg entschied aufgrund erheblicher Zweifel an der gesundheitlichen Eignung zur Ausübung des Arztbesuchs durch die Antragstellerin. Die Anordnung sei unzureichend klar begründet.

Es ist der Antragstellerin nicht zuzumuten, schwerwiegende Eingriffe in ihr Privatleben bzw. ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit dulden zu müssen, sofern sie nicht weiß, wie die Untersuchung erfolgen wird. Die Konsequenzen, die eine mögliche Untersuchung nach sich ziehen kann, sind so weitreichend, dass sie nicht durch das Interesse an der Feststellung ihrer Fähigkeit zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit gerechtfertigt werden können.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Medizinrecht

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.