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Sozialrecht: Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion aus § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V – Die Frist

Bundessozialgericht, Urteil vom 06.11.2018 – B 1 KR 20/17 R

Hintergrund

Die Klägerin beantragte bei ihrer Krankenkasse (KK) die Versorgung mit ambulanten Liposuktionsbehandlungen an Armen und Beinen. In der Folgezeit forderte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), welcher durch die KK mit einer gutachterlichen Stellungnahme beauftragt worden war, bei der Klägerin Befunde an.

Vier Wochen nach Antragstellung lehnte die KK den Antrag mit der Begründung ab, es seien nicht alle konservativen Maßnahmen ausgeschöpft.

Daraufhin ließ die Klägerin die Behandlungen auf eigene Kosten durchführen und begehrte von der KK die Kostenerstattung.

Bis zum Landessozialgericht blieb ihr Begehren erfolglos. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Die KK muss der Klägerin die Kosten der selbstverschafften ambulanten Liposuktionsbehandlungen in voller Höhe erstatten.

Gründe

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V im Zusammenhang mit der eingetretenen Genehmigungsfiktion. Der Begriff der Genehmigungsfiktion beschreibt den Umstand, dass ein an die KK gestellter Antrag als genehmigt gilt, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist über diesen Antrag entschieden wird.

Das Hessische Landessozialgericht, welches die Klage abwies, führte begründend an, die Klägerin habe keinen Erstattungsanspruch aufgrund einer Genehmigungsfiktion aus § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V, da die KK die hier maßgebliche Fünf-Wochen-Frist eingehalten habe. Die Fünf-Wochen-Frist sei aufgrund der Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme einschlägig.

Dieser Einordnung schließt sich das Bundessozialgericht nicht an. Die KK hat nicht innerhalb der maßgeblichen Drei-Wochen-Frist entschieden, ohne der Klägerin hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen. Die Fünf-Wochen-Frist galt deshalb nicht, weil die KK die Klägerin über die MDK-Begutachtung nicht unterrichtete. Diese Frist ist grundsätzlich nur dann einschlägig, wenn die KK den Leistungsberechtigten innerhalb der drei Wochen nach Antragsstellung darüber informiert, dass sie eine Stellungnahme des MDK einholen will. Die Unterrichtung kann schriftlich oder mündlich erfolgen, wobei der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller entscheidend ist. Eine mittelbare Information durch Dritte, hier durch die Befundanforderung des MDK, genügt daher nicht.

Bewertung

Ohne diese gebotene Information über die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme können Leistungsberechtigte nach drei Wochen annehmen, dass ihr Antrag nicht fristgerecht beschieden wurde und daher als genehmigt gilt.

Diese Entscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, welche sich aus dem Wortlaut, dem Regelungssystem sowie dem Regelungszweck des § 13 Abs. 3a SGB V ableitet und mit der Entstehungsgeschichte vereinbar ist. Schon der ursprüngliche Gesetzesentwurf, welcher noch keine Genehmigungsfiktion vorsah, begründete die Unterrichtungspflicht mit dem Zweck, dem Versicherten Klarheit zu verschaffen, ob die Drei- oder Fünf-Wochen-Frist gilt. Dieses Ziel besteht auch nach Einführung der Genehmigungsfiktion fort. Die KK sind gut beraten, dafür Sorge zu tragen, den rechtzeitigen Zugang der Unterrichtung im Zweifelsfall nachweisen zu können. Dies kann die KK, im Rahmen der Massenverwaltung vor größere Herausforderungen stellen.

Christiane Wolf, Rechtsanwältin

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