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Arbeitsrecht: Europarechtliche Vorgaben zu der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 09.02.2023 – C-560/21, ECLI:EU:C:2023:81

Hintergrund

Geklagt hatte ein seit 2004 das Amt des internen Datenschutzbeauftragten ausübender Beschäftigter eines kommunalen Verbands in Sachsen (KISA). Der KISA berief den Kläger als Datenschutzbeauftragten mit Wirkung zum 31.08.2018 ab mit der Begründung, dass ein Interessenkonflikt zwischen seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter und seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit bestehe. Nach Ansicht des Klägers fehlte es jedoch an einem die Abberufung rechtfertigenden wichtigen Grund.

Die Klage wurde abgewiesen, jedoch erreichte der Kläger letztlich eine Revision des Bundesarbeitsgerichts, welches sich in dieser Sache im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens an den Europäischen Gerichtshof wandte.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts würde der Erfolg der Revision von einer Auslegung des Unionsrechts abhängen. Daher stellte es dem Europäischen Gerichtshof die Frage, ob einer Regelung eines Mitgliedstaats – hier § 6 Abs. 4 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) –, in welcher die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten strengeren Voraussetzungen als denen, die das Unionsrecht vorschreibt, unterworfen wird, der Art. 38 Abs. 3 Satz 2 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entgegenstehe. Ferner fragte das Bundesarbeitsgericht, ob – sollte die erste Frage zu bejahen sein – eine solche Bestimmung auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beruhe.

Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG kann ein Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund abberufen werden, auch wenn die Abberufung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängt. Diese Regelung ist strenger als die Anforderung des Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO, der statuiert, dass ein Datenschutzbeauftragter wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden darf.

Gründe

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass jeder Mitgliedstaat im Rahmen seiner Zuständigkeit strengere Vorschriften für die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten erlassen darf, soweit diese mit den unionsrechtlichen Bestimmungen der DSGVO im Einklang stehen.

Ein solcher strengerer Schutz sei zulässig, solange eine Umsetzung der Ziele der DSGVO dadurch nicht beeinträchtigt wird. Die europarechtliche Regelung des Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO solle die funktionelle Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten schützen und somit gewährleisten, dass die Bestimmungen der DSGVO wirksam umgesetzt werden. Eine strengere nationale Regelung sei somit zulässig, soweit sie nicht dieser Zielsetzung zuwiderliefe.

Daher müsse es dem für den Datenschutzbeauftragten Verantwortlichen möglich sein, jenen abzuberufen, wenn dieser nicht mehr die für die Erfüllung dieses Amtes erforderliche berufliche Qualifikation besitzt oder seine Aufgaben nicht mehr im Einklang mit der DSGVO erfüllt. Auch müsse das Abberufen eines Datenschutzbeauftragten aufgrund eines Interessenkonflikts, durch den eine Wahrnehmung der spezifischen Aufgaben nicht oder nicht mehr in vollständiger Unabhängigkeit erfolgen könnte, weiterhin möglich sein.

Die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten darf somit durch strengere nationale Regelungen nicht generell verboten werden. § 6 Abs. 4 BDSG ist nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs mithin zulässig.

Bewertung

Die DSGVO soll ein hohes Schutzniveau für die Verarbeitung personenbezogener Daten von natürlichen Personen verwirklichen, und gerade das Amt des Datenschutzbeauftragten soll derart in dessen Unabhängigkeit geschützt werden, dass eine Verwirklichung dieses Datenschutzes möglichst effektiv erfolgen kann. Der Datenschutzbeauftragte soll seine Aufgaben und Pflichten in unabhängiger Weise ausüben können – daher die schützende Regelung des Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO.

Dieses Bedürfnis der Unabhängigkeit ist insofern gleichzeitig Grund, aber auch Schranke des Schutzes des Amtes des Datenschutzbeauftragten. Ist eine personelle Unabhängigkeit nicht mehr gewährleistet, so muss es möglich sein, den Datenschutzbeauftragten abzuberufen. Diese Möglichkeit muss auch durch strengere nationale Vorschriften gesichert bleiben.

Die Regelung des BDSG ist strenger als die europarechtliche Vorschrift der DSGVO, da sie einen wichtigen Grund für die Abberufung des Datenschutzbeauftragten fordert. Der Europäische Gerichtshof hat nun bestätigt, dass diese Vorschrift den Schutz des Datenschutzbeauftragten wahrt und nicht gegen die europarechtlichen Vorgaben verstößt.

Julia Wulf
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.

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