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Arbeitsrecht: Betreten des Betriebsgeländes der Arbeitsstätte als Ende des versicherten Arbeitswegs

Bundesarbeitsgericht vom 28.11.2019 – 8 AZR 35/19

Hintergrund

Die klagende Pflegekraft ist seit vielen Jahren im Seniorenheim beschäftigt, das von der Beklagten betrieben wird. Vor Arbeitsbeginn stellte sie ihr Fahrzeug außerhalb des Geländes des Seniorenheims auf einem Parkplatz ab. Danach lief sie zu Fuß zu einem Seiteneingang des Pflegeheims. Unterwegs rutschte die Klägerin aus und zog sich eine Außenknöchelfraktur zu. Der Weg, auf dem sie ausgerutscht war, war bereits Teil des Betriebsgeländes des Seniorenheims. Er war weder beleuchtet noch gestreut.

Die Beklagte zahlte der Klägerin Verletztengeld. Über das Verletztengeld hinaus begehrte die Klägerin Schmerzensgeld, sowie die Erstattung der Kosten, die durch Fahrtkosten zum Arzt und die Pflege entstanden sind.

Die Klage wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen. Die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht war erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht lehnte die von der Klägerin eingereichte Revision ab.

Gründe

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld oder sonstigen Schäden, die durch den Sturz entstanden sind, gegen die Beklagte.

Die beklagte Betreiberin des Seniorenheims kann sich wirksam auf § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII berufen. Hierin besteht ein Haftungsprivileg. Der Unternehmer ist bei ihm angestellten gesetzlich Unfallversicherten demnach nur dann zum Ersatz von Personenschaden verpflichtet, wenn der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt wurde oder auf einem gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt wurde. Von der Haftungsprivilegierung sind sämtliche Haftungsgründe des bürgerlichen Rechts sowie der Gefährdungshaftung erfasst.

Das Verletztengeld, das bei einem Arbeitsunfall und damit auch bei einem Versicherungsfall gezahlt werden muss, wurde bereits an die Klägerin gezahlt. Es besteht keine Verpflichtung zur Zahlung über die Zahlung von Verletztengeld hinaus. Grund dafür ist die Haftungsbeschränkung.

Der Versicherungsfall wurde nicht vorsätzlich von der Beklagten herbeigeführt.

Es kam auch nicht auf einem versicherten Weg zu dem Unfall. Ein Weg ist versichert, wenn er vor oder nach der versicherten Tätigkeit angetreten wird und in Zusammenhang mit ihr steht. Im Regelfall stellt das gesamte Werksgelände den Ort der Tätigkeit dar. Üblicherweise endet der Weg nach dem Ort der Tätigkeit mit dem Durchfahren oder dem Durchgehen des Werkstores. Eine Abstellung auf den Einzelfall und den speziellen baulichen und sonstigen örtlichen Verhältnissen der Betriebsstelle ist nicht zulässig.

Bewertung

Es greift das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII zugunsten des Arbeitnehmers. Das Schadensersatzverlangen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber den Versicherungsfall auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 SGB VII versicherten Weg, auch Wegeunfall genannt, oder vorsätzlich herbeigeführt hat.

Mit dem Betreten des Betriebsgeländes endet der versicherte Weg. Ein Unfall, der sich auf dem Betriebsgelände ereignet, ist kein Wegeunfall.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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