Permalink

0

Arbeitsrecht: Bundesarbeitsgericht urteilt zu Widerruf von Aufhebungsverträgen und Gebot fairen Verhandelns

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18, Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht Nr. 6/19 vom 20.12.2018

Hintergrund

Die Klägerin war bei der Beklagten als Reinigungsfachkraft angestellt. Sie schloss in der Wohnung der Beklagten mit dem Lebensgefährten der Beklagten einen Aufhebungsvertrag. Inhalt des Aufhebungsvertrages war die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie das Unterlassen der Zahlung einer Abfindung. Die Klägerin hat den Aufhebungsvertrag angefochten. Als Anfechtungsgründe führte sie Irrtum, sowie arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung an. Hilfsweise widerrief sie ihre Erklärung für den Aufhebungsvertrag. Laut Angaben der Klägerin war sie am Tag der Vertragsverhandlung erkrankt.

Mit Klage wandte sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hebt das landesarbeitsgerichtliche Urteil auf die Revision der Klägerin auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.

Gründe

Das BAG erkannte die Beurteilung des LAG als rechtsfehlerfrei an, dass sowohl eine Anfechtung aus den oben genannten Anfechtungsgründen als auch ein Widerruf nicht in Betracht komme.

Hinsichtlich eines Widerrufs auf Grundlage des Widerrufsrechts nach § 355 BGB führt das BAG aus, dass zwar wegen § 312 Abs. 1 in Verbindung mit § 312g BGB ein Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen eingeräumt ist, der Gesetzeber jedoch nicht arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB mit einbeziehen wollte.

Das BAG moniert jedoch, dass das LAG bei seiner Beurteilung außer Acht gelassen habe, ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrags beachtet worden ist. Das Gebot ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Diese Nebenpflicht ist verletzt, wenn eine der Vertragsparteien eines Aufhebungsvertrages eine psychische Drucksituation schafft, die die Möglichkeit einer freien und überlegten Entscheidung erheblich erschwert.

Das BAG sieht zumindest die Möglichkeit, dass die Erkrankung der Klägerin vorsätzlich ausgenutzt worden sein könnte und dadurch der Aufhebungsvertrag zustande gekommen ist. Dies muss das LAG feststellen. Bei positiver Feststellung würde dies zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führen. Die Beklagte wäre zum Schadenersatz in Gestalt von Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB und damit zur Herstellung des Zustands verpflichtet, der ohne die Verletzung der oben bezeichneten Nebenpflicht bestünde.

Aufgrund der mangelnden Feststellung hat das LAG die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages erneut zu prüfen.

Bewertung

Das BAG hat zu Recht auf den Willen des Gesetzgebers hinsichtlich eines denkbaren Widerrufs bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen verwiesen.

Darüber hinaus gilt das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Hierdurch werden die Interessen beider Parteien im Hinblick auf den Schluss eines Aufhebungsvertrages berücksichtigt. Es bleibt abzuwarten, wie das LAG die Sachlage bewerten wird.

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.