Permalink

0

Sozialrecht: Kosten der Kindertagesförderung eines Pflegekindes werden übernommen

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.10.2022 – 5 C 4.21, Pressemitteilung Nr. 65/2022

Hintergrund

Das Jugendamt einer Stadt hatte in seiner Funktion als Vormund eines Kindes gegen die Stadt geklagt. Klagegegenstand war dabei die Übernahme der Kosten einer Einrichtung zur Kindertagesförderung, welche durch die Pflegeeltern des Kinds gezahlt wurden.

Der Mutter des Kindes wurde im Jahre 2013 die Personensorge entzogen, woraufhin diese dem Jugendamt übertragen wurde. Die als Träger der Jugendhilfe zuständige Stadt bewilligte und übernahm daraufhin die Kosten der Vollzeitpflege des Kindes bei Pflegeeltern in einer sonderpädagogischen Pflegestelle für Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen.

Das Kind besuchte ab dem Jahre 2018 eine Kindertagesstätte, wodurch den Pflegeeltern ein monatlicher Kostenaufwand von 44 € entstand. Das Jugendamt verlangte diese Kosten von der Stadt zurück, wobei jene die Zahlung ablehnte mit der Begründung, diese Kosten seien bereits in dem an die Pflegeeltern pauschal gezahlten Unterhalt für die Vollzeitpflege inbegriffen.

Das Jugendamt wandte sich gegen diese Ablehnung durch die Stadt klageweise zunächst erfolgreich an das Verwaltungsgericht Aachen und anschließend ebenfalls erfolgreich an das Oberverwaltungsgericht Münster. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Klage des Jugendamtes ebenfalls statt und folgte somit der Ansicht der Vorinstanzen.

Gründe

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der von der Stadt zu übernehmende Unterhalt auch die Kosten einer Einrichtung für Kindertagesförderung umfasst, wenn diese nicht bereits von dem pauschal gewährten Unterhalt umfasst sind. Die Begründung der Stadt, die fraglichen Beiträge seien Teil des üblichen Kostenaufwandes, der durch die an die Pflegeeltern ausgezahlte und gegenüber dem Jugendamt bewilligte Unterhaltspauschale abgedeckt würde, greift nicht.

§ 39 Achtes Buch Sozialgesetzbuch regelt zur Sicherung des Unterhalts eines in Vollzeitpflege zu betreuenden Kindes die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags, der über den pauschal gezahlten Unterhalt hinausgehende Kosten abdeckt. So fallen darunter etwa Kosten für die Pflege des Kindes, dessen Erziehung und weitere Sachaufwandskosten, so etwa auch die der Erziehung von Kindern und Jugendlichen außerhalb ihres Elternhauses – also etwa in einer Kindertagesstätte. Dieser Betrag wird monatlich gewährt und pauschal festgesetzt, um die laufenden Kosten, die bei einer Unterbringung in Pflegestellen anfallen, zu decken.

Grundlage der Berechnung dieser festgesetzten Pauschalisierung können jedoch nur Beträge sein, die ihrerseits pauschalisiert festgestellt und insofern in der Berechnung berücksichtigt werden können.

Die fraglichen Beiträge der Kindertagesstätte können jedoch nicht von der pauschal gewährten Unterhaltszahlung umfasst sein, wenn die Beiträge in ihrer Höhe stark variieren und daher nicht pauschalisiert werden können. Dies bejahte das Gericht im vorliegenden Fall, da die Kosten einer Kindertagesstätte im Land NRW erhebliche Schwankungen aufweisen können. Diese Zahlungen wurden daher nicht in dem pauschal gezahlten Unterhalt berücksichtigt und sind über diesen hinaus durch den Jugendhilfeträger, mithin die Stadt, zu ersetzen.

Bewertung

Das Urteil stellt klar, dass die Kosten einer Kindertagesstätte nicht bereits mit der pauschal gewährten Unterhaltssicherung abzugelten sind. Die Einteilung und Übernahme der Kosten für die Vollzeitpflege eines Kindes sind somit durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus Sicht der Pflegeeltern und des Jugendamtes transparenter und besser kalkulierbar.

Die Höhe der pauschal durch die Stadt gezahlten Unterhaltsbeiträge wird durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt. Dabei muss diese Pauschalisierung aufgrund von erwartbaren und berechenbaren Kosten bemessen werden. Die Kosten eines Platzes in einer Kindertagesstätte stellen zwar einerseits einen typischen Bedarf dar, jedoch lassen sie sich nicht pauschalisieren, da sie in ihrer Höhe sehr stark variieren. Derartige Kostenpunkte entziehen sich somit einer sinnvollen Pauschalisierung und müssen daher gesondert erstattet werden.

Das zuständige Landesministerium NRW berücksichtigt daher richtigerweise tatsächlich diese Elternbeiträge für eine Kindertagesstätte nicht bei der Berechnung der Pauschalbeiträge für Sachkosten.

Konstantin Theodoridis
Fachanwalt für Sozialrecht

Welche Mandanteninteressen unsere Anwaltskanzlei in Bonn vertritt, ersehen Sie auf der Homepage.

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.