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Arbeitsrecht: Überwachung eines Arbeitnehmers durch Detektei

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.07.2024 – 8 AZR 225/23

Hintergrund

Die Parteien streiten vorliegend über einen Anspruch des Klägers auf immateriellen Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) aufgrund einer durch die beklagte Arbeitgeberin veranlassten detektivischen Observation zur Überprüfung einer vom klagenden Arbeitnehmer angezeigten Arbeitsunfähigkeit.

Der Kläger, der langjährig bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen im Vertrieb beschäftigt war, zuletzt als Account Manager der Region Süd, war seit dem 04.02.2022 aufgrund einer privatärztlich attestierten Verletzung arbeitsunfähig. Die Beklagte ließ ihn im Zeitraum vom 25.02.2022 bis 04.03.2022 aufgrund des Verdachts einer Vortäuschung der Arbeitsunfähigkeit durch eine Detektei observieren. Grundsätzlich war der Kläger im Außendienst tätig und anderweitig im Homeoffice beschäftigt.

Der Kläger hielt sich während der Observation überwiegend in seinem Wohnumfeld, also seinem Haus und seiner Terrasse, sowie im öffentlichen Raum auf. Die Observation erstreckte sich auch auf Besuche bei einer externen Hausarztpraxis sowie auf den Wohnort der früheren Lebensgefährtin. Die gesammelten Beobachtungen (z. B. das Tragen schwerer Gegenstände, der Besuch eines Badstudios, die Verrichtung von Lebensmitteleinkäufen und das Heimwerken auf der Terrasse) dienten der Überprüfung der attestierten gesundheitlichen Einschränkungen. Dabei wurden im Zuge der Observation auch die Hausarztpraxis des Klägers und das Wohnhaus seiner ehemaligen Partnerin aufgesucht.

Die Beklagte hörte den Kläger am 23.03.2022 an, wobei dieser angab, sich die die Arbeitsunfähigkeit begründende Verletzung am 04.02.2022 vor Arbeitsbeginn morgens zugezogen zu haben. Die beobachteten Tätigkeiten hätten den Genesungsprozess nicht behindert.

Der Kläger machte daraufhin einen immateriellen Schadenersatzanspruch in Höhe von mindestens 25.000 € geltend. Er rügte einen erheblichen Eingriff in seine Privatsphäre und seinen Datenschutz, insbesondere durch die Beobachtung im Bereich seines Wohnhauses und die Einbeziehung unbeteiligter Dritter. Er sah keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Überwachung und berief sich auf die ordnungsgemäßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Die Beklagte hielt die Maßnahme für datenschutzrechtlich gerechtfertigt. Sie argumentierte mit einem berechtigten Interesse an der Aufklärung eines konkreten Verdachts auf Missbrauch, zumal eine mildere Maßnahme – insbesondere die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der gesetzlichen Krankenkasse – wegen der privaten Krankenversicherung des Klägers nicht möglich gewesen sei. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert, u. a. wegen widersprüchlicher Angaben zur Örtlichkeit der Verletzung und der erheblichen Entfernung zwischen dem Arbeitsort und dem attestierenden Arzt.

Das Arbeitsgericht Krefeld wies die Klage ab, woraufhin der Kläger Berufung zum Landesarbeitsgericht Düsseldorf einlegte. Dieses verurteilte die Beklagte zu einer Zahlung von 1.500 € nebst Zinsen. Dagegen legten sowohl der Kläger als auch die Beklagte Berufung zum Bundesarbeitsgericht ein.

Gründe

Das Bundesarbeitsgericht schloss sich der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf an und bestätigte einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.500 €. Bei der Überwachung handelte es sich um einen Verstoß gegen Art. 82 Abs. 1 DSGVO, da die Beklagte als Verantwortliche ohne Einwilligung des Klägers dessen Gesundheitsdaten verarbeitet hatte, was nicht erforderlich war.

Eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten kann lediglich dann erforderlich sein, wenn die Interessen des Arbeitgebers diejenigen des Arbeitnehmers überwiegen. Bei ernsthaften Zweifeln des Arbeitgebers am Vorliegen einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit kann eine deshalb erfolgende Beobachtung des Arbeitnehmers nur dann zulässig sein, wenn der Beweiswert der vorgelegten ärztlichen „AU“ tatsächlich erschüttert ist und keine Untersuchung des Arbeitnehmers durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse möglich ist.

Vorliegend waren die ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen jedoch nicht in ihrem Beweiswert erschüttert und wiesen keinen revisiblen Rechtsfehler auf. Obendrein hätte die Arbeitgeberin überprüfen müssen, ob anderweitige mildere Maßnahmen möglich gewesen wären.

Bewertung

Eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist schon grundsätzlich verboten, wie Art. 9 Abs. 1 der DSGVO festlegt. Ausnahmsweise kann dieses Verbot entfallen, wenn eine solche Verarbeitung erforderlich ist, damit der für die Datenverarbeitung Verantwortliche seine ihm aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechte ausüben kann. Nach dem nationalen Bundesdatenschutzgesetz ist dies wiederum möglich, wenn die Verarbeitung der Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist und kein schutzwürdiges Interesse der betroffenen Person überwiegt. Es muss also insbesondere eine Verhältnismäßigkeitsprüfung und eine Abwägung der betroffenen widerstreitenden Interessen erfolgen.

Die Interessen des Klägers überwogen vorliegend, da das Interesse des Arbeitgebers nur dann überwiegen und eine Beobachtung rechtfertigen kann, wenn der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist, was vorliegend jedoch nicht der Fall war. Die Beauftragung einer Detektei stellt eine schwerwiegende Maßnahme dar, die stark in die Rechte des Arbeitnehmers eingreift, weshalb die Arbeitgeberin zuvor zu milderen Maßnahmen hätte greifen müssen.

Claudia Lorig
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.

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