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Medizinrecht: Anwendbarkeit der GOÄ auf Verträge mit einem Krankenhausträger

Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.04.2024 – III ZR 38/23

Hintergrund

Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich in dem vorliegenden Urteil mit der Frage, ob sich der Anwendungsbereich der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) auch auf Behandlungsverträge erstreckt, die der Patient mit einem Krankenhausträger, nicht jedoch mit dem behandelnden Arzt selbst, abschließt.

Der zugrundeliegende Sachverhalt beinhaltete die Rückzahlungsforderung eines Honorars, welches für eine sogenannte Cyberknife-Behandlung bei dem klagenden Patienten berechnet wurde. Bei einem Cyberknife handelt es sich um ein Bestrahlungsgerät, welches eine hochenergetische Präzisionsbestrahlung von Tumoren ermöglicht, wobei die Behandlung meist ambulant durchgeführt wird. Der Behandlungsvertrag über die Erbringung dieser Behandlung wurde vorliegend mit dem beklagten Krankenhausträger geschlossen.

Der Kläger ist in der gesetzlichen Krankenversicherung der T-Krankenkasse versichert, wobei diese Art der Behandlung nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse gehört. Für die Erbringung der Behandlung wurde dem Kläger eine Rechnung in Höhe von 10.633 € gestellt. Der beklagte Krankenhausträger informierte den Kläger über die Ablehnung der Kostenübernahme und teilte diesem daher mit, dass er für die Kosten selbst aufkommen müsse. Darein willigte der Kläger ein, indem er am 16.04.2020 eine entsprechende Erklärung unterzeichnete, mit der er bestätigte, für die anfallenden Kosten nach der Behandlung aufzukommen.

Die Cyberknife-Behandlungen wurden beim Kläger im Juni 2020 durchgeführt. Am 05.07.2020 forderte der Kläger von der Beklagten per anwaltlichem Schreiben die Erstellung einer ordnungsgemäßen Rechnung nach der GOÄ. Diese wurde ihm ausgestellt, woraufhin er die gesamte Rechnung beglich. Der Kläger hielt die getroffene Behandlungsvereinbarung über die Zahlung des Honorars jedoch im späteren Verlauf für nichtig und verlangte daher die Rückzahlung des Honorars. Im vorliegenden Verfahren warf der Kläger der Beklagten obendrein vor, ihren wirtschaftlichen Informationspflichten nicht nachgekommen zu sein, da die Beklagte den Kläger nicht darüber aufklärte, dass eine Cyberknife-Behandlung von anderen gesetzlichen Krankenkassen durchaus übernommen wird.

Das Landgericht Köln verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung des erhaltenen Honorars, die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Auch die Revision zum Bundesgerichtshof ist unbegründet.

Gründe

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass der Anwendungsbereich der GOÄ nicht voraussetzt, dass der Vertragspartner des Patienten ein Arzt ist, vielmehr genügt es, dass die Vergütung für die beruflichen Leistungen eines Arztes geltend gemacht wird. Daher ist die GOÄ auch auf solche Verträge anwendbar, die der Patient mit einer juristischen Person, also etwa einem Krankenhausträger abschließt, und im Rahmen dessen medizinische ambulante Leistungen durch Ärzte erbracht werden, die insofern ihren dienstvertraglichen Pflichten nachgehen.

Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass die GOÄ in solchen Fällen nicht anwendbar sei, da lediglich die Ärzte als Vertragspartner der Patienten Adressaten der GOÄ seien. Ein Krankenhausträger sei hingegen als Leistungserbringer und Behandelnder nicht dazu verpflichtet, die Leistungen gegenüber Selbstzahlern entsprechend der GOÄ abzurechnen – vielmehr sei es möglich, eigene freie Preise zu vereinbaren.

Dieser Ansicht trat der Bundesgerichtshof nun entgegen mit der Begründung, dass es für die Anwendung der GOÄ maßgeblich auf die Erbringung von „beruflichen Leistungen der Ärzte“ ankomme, und insofern unerheblich sei, mit wem der Patient den konkreten Behandlungsvertrag abschließe. Unabhängig davon, ob der Arzt selber oder ein Dritter Vertragspartner des Patienten geworden sei, solle die GOÄ das Spannungsfeld der Interessen der abrechnenden und behandelnden Ärzte und der Patienten, die deren Leistungen zu vergüten haben, regeln. Bei der GOÄ handelt es sich um zwingendes Preisrecht, welches für alle Ärzte gilt.

Der Bundesgerichtshof bejahte somit eine Anwendbarkeit der GOÄ auf die vorliegende Cyberknife-Behandlung, bei der es sich zweifellos um eine ärztliche Behandlung, also eine berufliche Leistung gemäß § 1 Abs. 1 GOÄ handelt. Somit ist auch § 2 Abs. 1 und 2 GOÄ anwendbar, der als Wirksamkeitsvoraussetzungen einer von der Verordnung abweichenden Honorarvereinbarung eine individuelle Absprache zwischen dem Arzt und dem Zahlungspflichtigen im Einzelfall voraussetzt. Diesen Anforderungen genügte die vereinbarte Kostenübernahmeerklärung vom 16.04.2020 nicht, sodass diese gemäß § 2 Abs. 2 GOÄ i. V. m. § 125 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig ist. Daher bejahte auch der Bundesgerichtshof einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Vergütung.

Bewertung

Bislang war in der Rechtsprechung und der Literatur umstritten und nicht höchstrichterlich geklärt, ob die GOÄ bei Anwendungen auf ambulante Leistungen einer juristischen Person Anwendung findet, wenn diese Leistungen durch einen Arzt erbracht werden, der sich in einem Anstellungs- oder Beamtenverhältnis zu der juristischen Person, also etwa dem Krankenhausträger, befindet und diese Leistungen in Erfüllung seiner Dienstaufgaben erbracht werden.

Diesen Streit hat der Bundesgerichtshof nun höchstrichterlich entschieden und somit Klarheit für die Praxis und die Rechtsprechung geschaffen. Als Begründung zog das Gericht den Wortlaut der GOÄ und den teleologischen Zweck der Norm heran. Lediglich solche ärztlichen Leistungen, die auch von anderen Berufsgruppen oder Einrichtungen erbracht werden können, sollen nicht unter die GOA fallen.

Strittig war im vorliegenden Fall ebenfalls das Bestehen und die Reichweite einer wirtschaftlichen Informationspflicht des Krankenhausträgers gegenüber dem Patienten. Lesen Sie hierzu auch die entsprechende Urteilsbesprechung.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Medizinrecht

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