
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 18.03.2025 – 4 SLa 755/24
Hintergrund
Vorliegend hatte das Land Niedersachsen gegen die dort früher beschäftigte Arbeitnehmerin auf Rückzahlung von zu viel gezahlter Vergütung geklagt. Zwischen den Parteien bestand bis zum 31.08.2022 ein Arbeitsverhältnis, wobei die Beklagte im Bereich IT bei dem Landesamt für Steuern in Niedersachsen angestellt war.
Innerhalb der Probezeit kündigte das Land das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2022. Das zuständige Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung zahlte der Beklagten für den Zeitraum vom 01.09.2022 bis 31.12.2022 das bisherige tarifliche Arbeitsentgelt weiter. Strittig ist, ob die Beklagte dem Besoldungsamt mit einem Schreiben mitteilte, dass sie trotz der Kündigung weiterhin monatliche Gehaltszahlungen erhielt. Die Beklagte behauptet, ein entsprechendes Schreiben am 04.10.2022 an das Besoldungsamtes verfasst zu haben. Dieses richtet sich jedoch nicht an einen konkreten Ansprechpartner. Das Landesbesoldungsamt reagierte auf das Schreiben nicht.
Das klagende Land forderte die Beklagte am 24.01.2023 außergerichtlich ohne Erfolg auf, die überzahlte Vergütung in Höhe von 13.235 € zurückzuzahlen. Die Beklagte erhob daraufhin Widerklage auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit der Note „gut“ und beantragte darüber hinaus, die Klage abzuweisen.
Das erstinstanzlich befasste Arbeitsgericht Hannover gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Einen Rückzahlungsanspruch bejahte es auf Grundlage des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Anspruch sei obendrein nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Außerdem könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, nicht mehr bereichert zu sein, da sie bösgläubig sei. Sie hätte wissen können, dass ihr ab dem Zeitpunkt der Kündigung keine Vergütung mehr zustand. Dieser Einsicht habe sich die Beklagte verschlossen. Auch das Schreiben der Beklagten vom 04.10.2022 lässt keine andere Beurteilung der Sachlage zu. Die Beklagte durfte aus dem Ausbleiben einer Reaktion nicht schließen, dass ihr die Vergütung absichtlich weiterhin zukam.
Die Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung zum Landesarbeitsgericht Niedersachsen ein, diese hatte jedoch keinen Erfolg.
Gründe
Das Landesarbeitsgericht schloss sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts Hannover an und bejahte ebenfalls einen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Gemäß § 814 BGB kann ein solcher Anspruch ausgeschlossen sein, wenn der Leistende wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Eine Leistung, die in Erfüllung einer (vermeintlichen) Verbindlichkeit erbracht wurde, ist daher nicht rückforderbar, wenn der Leistende im Zeitpunkt der Leistung positiv wusste, dass diese Verpflichtung nicht bestand.
Vorliegend kann eine solche Kenntnis des Besoldungsamtes nicht daraus abgeleitet werden, dass das Schreiben der Beklagten vom 04.10.2022 dem Besoldungsamt tatsächlich zugegangen war. Maßgeblich ist allein, ob diejenige Person, welche die Überzahlung veranlasst oder abgewickelt hat, im Zeitpunkt der Leistung positiv von der Nichtschuld wusste. Dafür bestehen im vorliegenden Fall keine belastbaren Anhaltspunkte und ein entsprechender Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten fehlt.
Unerheblich ist auch die Frage, ob der Vorgang anders zu würdigen gewesen wäre, wenn das Schreiben der Beklagten gezielt an den in der Entgeltabrechnung benannten Sachbearbeiter adressiert worden wäre. Das Schreiben war allgemein gehalten und enthielt weder eine namentliche Ansprache noch einen Hinweis auf eine Personalnummer.
Selbst wenn im Wege der Beweisaufnahme festgestellt worden wäre, dass das Schreiben dem Besoldungsamt zugegangen ist, hätte dies allenfalls den Vorwurf organisatorischer Mängel rechtfertigt. Es ersetzt jedoch nicht den erforderlichen Nachweis, dass die konkret leistungsveranlassende Person über die fehlende Leistungsverpflichtung Kenntnis hatte. Ein Rückforderungsverlangen ist daher nicht als widersprüchlich im Sinne des § 814 BGB zu qualifizieren.
Bewertung
Ziel des § 814 BGB ist es, ein widersprüchliches Verhalten des Leistenden – vorliegend also des die Vergütung zahlenden Arbeitgebers – zu verhindern. Es ist widersprüchlich, trotz der Kenntnis der Nichtschuld eine Leistung zu erbringen und diese dann anschließend zurückzufordern. Dabei ist für die Kenntnis maßgebend, dass der Leistende tatsächliche und nachweisbare positive Kenntnis hat. Dabei findet keine Wissenszurechnung gemäß § 166 Abs. 1 BGB statt. Diese Vorschrift sieht vor, dass es im Falle einer Vertretung nicht auf das Wissen des Vertretenen, sondern des Vertreters ankommt.
Vorliegend hatte das Landesbesoldungsamt und vor allem die maßgebend sachbearbeitende Person keine nachweisbare Kenntnis von der Nichtschuld, also keine Kenntnis davon, dass der Beklagten aufgrund der zuvor erfolgten Kündigung kein Lohn mehr zu zahlen war. Somit ist der Bereicherungsanspruch nicht ausgeschlossen, die ehemalige Arbeitnehmerin hat diesen also zurückzuerstatten.
Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.