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Medizinrecht: Wahlleistungsvereinbarung zur Vertretung des Wahlarztes durch einen anderen Arzt ist nichtig

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.03.2025 – III ZR 40/24

Hintergrund

Strittig war vorliegend zwischen den Parteien, ob eine auf Initiative eines Krankenhausträgers getroffene Wahlleistungsvereinbarung, gemäß derer wahlärztliche Leistungen auch durch einen gewillkürten anderen Arzt als Vertretung des Wahlarztes durchgeführt werden dürfen, wirksam ist.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Krankenhausbetreiberin, die von der vorliegend beklagten Patientin die Vergütung wahlärztlicher Leistungen verlangt. Die Beklagte wurde im August 2019 in dem Krankenhaus der Klägerin aufgrund einer Verengung der Nervenkanäle zwischen den Wirbeln (sog. Neuroforamenstenose) stationär behandelt und vereinbarte im Rahmen dessen eine Wahlleistungsvereinbarung mit der Klägerin.

Obendrein wurde eine „Patientenerklärung zur Vertretung des Wahlarztes“ vereinbart und beidseitig unterzeichnet, laut derer grundsätzlich die Wahlleistungen durch den vorgesehenen Wahlarzt, den Chefarzt der Station, durchgeführt werden sollten, in Vertretung jedoch auch ein anderer, handschriftlich eingetragener leitender Oberarzt tätig werden durfte und in diesem Falle das wahlärztliche Honorar in gleicher Weise erbracht werden sollte.

Daraufhin wurde die Beklagte von dem handschriftlich eingetragenen Arzt operiert und eine Rechnung in Höhe von etwa 3.301 € für die „Wahlleistung Wahlarzt“ seitens der Klägerin erstellt. Diesen Betrag leistete die Beklagte jedoch nicht, woraufhin die Klägerin eine entsprechende Zahlungsklage erhob.

Das Amtsgericht Münster wies die Klage ab, woraufhin die Klägerin Berufung einlegte. Das daraufhin befasste Landgericht Münster änderte das erstinstanzliche Urteil ab und verurteilte die Klägerin zur Zahlung der Rechnungssumme zzgl. der seit dem Fälligkeitszeitpunkt des 21.11.2019 angefallenen Zinsen.

Zur Begründung führte das Landgericht Münster aus, dass eine Wahlleistungsvereinbarung, die einen ständigen ärztlichen Vertreter des Chefarztes anstelle desselben als originären Behandler vorsieht, als entsprechend getroffene Individualvereinbarung wirksam sein kann. Im vorliegenden Fall wurden nach Ansicht des Landgerichts Münster keine konkreten Anforderungen an den Grund der Verhinderung des Chefarztes gestellt, sodass eine Vertretung auch ohne das Vorliegen etwaiger inhaltlicher Voraussetzungen möglich war.

Die Beklagte begehrt nun mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof nun die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

Der Bundesgerichtshof gab der Beklagten Recht, hob insofern das Urteil des Landgerichts Münster auf und verwies das Verfahren dorthin zurück. Streitentscheidende Norm ist vorliegend unter anderem § 17 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG), der die Vereinbarung und Abrechnungen von wahlärztlichen Leistungen regelt. Gemäß Abs. 1 Satz 1 dürfen allgemeine Krankenhausleistungen als sogenannte Wahlleistungen gesondert neben den Zahlungen für eine stationäre Behandlung berechnet werden, wenn eine solche gesonderte Berechnung mit dem Krankenhaus vereinbart wurde.

In diesem Fall wurde jedoch keine wirksame Vergütungsvereinbarung getroffen, da die vorliegende Vertretungs-Vereinbarung gegen § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG verstoße. Diese Regelung sieht vor, welche Ärzte eine wahlärztliche Behandlung durchführen dürfen. Eine vertragliche vorgesehene gewünschte Stellvertretung kann demnach nicht in der Wahlleistungsvereinbarung vorgesehen werden. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine zwingende Schutzvorschrift zugunsten des Patienten, die – insbesondere nicht auf Initiative des Krankenhausträgers – zulasten des Behandelten umgangen werden darf.

Die Vereinbarung dient nämlich der Sicherstellung einer Behandlung des Patienten durch bestimmte Wahlärzte, auf deren konkrete medizinische Kompetenz der Patient vertraut und im Gegenzug bereit ist, ein höheres Entgelt zu erbringen. Wird der behandelnde Arzt jedoch weder in der Vereinbarung benannt und ist er auch sonst nicht Teil der Kette der zuständigen Ärzte, die in § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG genannt werden, so kann die von ihm erbrachte Leistung nicht als eigene Wahlleistung abgerechnet werden.

Bewertung

Bei der vorliegenden Entscheidung handelt es sich um ein richtungsweisendes Urteil für die Vereinbarung von ärztlichen Wahlleistungen. Als ärztliche Wahlleistungen gelten solche ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen, die sich von den allgemeinen, in § 2 Abs. 2 KHEntgG vorgesehenen Krankenhausleistungen unterscheiden und deren Erbringung gesondert mit dem Krankenhausträger vereinbart wurde. Dies kann etwa eine „Wahlleistung Arzt“ sein, die beinhaltet, dass der Patient von einem bestimmten leitenden oder in besonderer Weise qualifizierten Arzt behandelt wird, unabhängig davon, ob dies im Einzelfall gerade zweckmäßig oder notwendig ist (beispielsweise eine so bezeichnete Chefarztbehandlung).

Vorliegend hatte die beklagte Patientin eine Wahlleistungsvereinbarung unterzeichnet, aufgrund derer auch ein vertretender Arzt die Wahlleistung erbringen durfte, wobei diese Vertretungsregelung nicht auf Fälle der tatsächlichen Verhinderung des Chefarztes beschränkt war. Eine Wahlleistungsvereinbarung bezweckt jedoch gerade die persönliche Leistungserbringung durch den vom Patienten ausgewählten Arzt – eine solche Vertretungsregelung kann daher nicht wirksam vereinbart werden.

Eine gesonderte Abrechnung durch den behandelnden Arzt kommt somit lediglich dann in Betracht, wenn sie als eigene selbstständige Leistung des tätig gewordenen Arztes gemäß § 4 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Rechnung gestellt werden kann. Andernfalls handelt es sich um eine allgemeine Krankenhausleistung, deren Abrechnung sich nach §§ 7 f. KHEntgG richtet.

Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Medizinrecht

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