Permalink

0

Arbeitsrecht: Aussetzung der betrieblichen Altersversorgung während der Corona-Krise

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.11.2024 – 3 AZR 28/24, Pressemitteilung Nr. 32/24 vom 26.11.2024

Hintergrund

Bei dem Kläger handelt es sich um einen Flugbegleiter, der bei der Lufthansa, die vorliegend verklagt wurde, von Oktober 1997 bis zum 31.01.2022 angestellt war. Das Arbeitsverhältnis fiel unter den Tarifvertrag Lufthansa Rente Kabine hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung.

Dieser Tarifvertrag legte insbesondere fest, dass die Beklagte verschiedene Beitragszahlungen zur Altersversorgung der Angestellten leistet. Anlässlich der Corona-Pandemie schlossen die Tarifvertragsparteien im Juni 2020 einen neuen Tarifvertrag über Maßnahmen zur Eindämmung der Folgen der Corona-Krise, den sogenannten Tarifvertrag Krisenbeitrag und Absicherung Kabine LHA. Dieser Tarifvertrag sollte eine Laufzeit bis zum 31.12.2023 haben und sah unter anderem vor, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen waren, die Beiträge zu verschiedenen Systemen der betrieblichen Altersversorgung ausgesetzt wurden und die tarifliche Vergütung eingefroren wurde.

Dabei sollte die Aussetzung der Beiträge zum betrieblichen Altersversorgungssystem nicht für solche Mitarbeiter gelten, die innerhalb einer seitens der Lufthansa gesetzten Annahmefrist einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben oder aufgrund eines Freiwilligenprogramms in die Versorgung ausgeschieden sind. Der Kläger nahm an keinem solchen Freiwilligenprogramm teil, was zuvor im Rahmen einer Duldungsvereinbarung der Arbeitgeberin mit der Gruppenvertretung Kabine DHL beschlossen wurde. Aufgrund einer zweiten Duldungsvereinbarung unter dem Namen „Now!Cabin“ schied der Kläger im späteren Verlauf in die Versorgung aus.

Im Mai 2022 wurde zwischen den Tarifvertragsparteien eine Vereinbarung zur Klarstellung des im Rahmen der Corona-Krise vereinbarten Tarifvertrags geschlossen, welche statuierte, dass sämtliche Bezugnahmen auf ein Freiwilligenprogramm oder die Freiwilligenprogramme im Tarifvertrag lediglich die freiwilligen Maßnahmen betreffen würden, die in der ersten Duldungsvereinbarung festgesetzt wurden.

Der Kläger war der Ansicht, dass er von einer Rückausnahme des Tarifvertrags zur Corona-Krise hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung betroffen sei, daher seien die entsprechenden Beiträge an ihn nachzuentrichten. Die Lufthansa lehnte dies ab, woraufhin sich der Kläger an das Arbeitsgericht Köln wandte. Dieses lehnte die Klage ab, das Landesarbeitsgericht Köln gab der Klage in der Berufungsinstanz statt. Daraufhin legte die Beklagte Revision beim Bundesarbeitsgericht ein.

Gründe

Die Revision der Beklagten war erfolgreich, das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil auf und verwies das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Landesarbeitsgericht Köln. Zur Begründung führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass die Rückausnahme der Aussetzung der tarifvertraglich vorgesehenen Beiträge zur Altersversorgung, die in dem Tarifvertrag zur Corona-Krise festgelegt wurde, grundsätzlich auf den Kläger aufgrund der Klarstellungsvereinbarung, die im Mai 2022 erlassen wurde, keine Anwendung finden würde. Die vorherige tarifliche Regelung war unklar und verworren, weshalb die Klarstellungsvereinbarung der Richtigstellung der Situation diente und daher letztverbindlich war.

Eine Aussetzung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung ist an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu messen. Dabei sind Tarifvertragsparteien grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, die vernünftigste, gerechteste und angemessenste Lösung zu wählen, jedoch muss die Einschränkung von Rechten und Ansprüchen einer Partei mit legitimen Gründen einhergehen. Die Aussetzung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung führte zu einem Eingriff in Versorgungsrechte der Arbeitnehmer, weshalb für die Aussetzung legitimierende Gründe vorliegen mussten. Je nach Schwere der für die Arbeitnehmer entstehenden Nachteile müssen diese Gründe besonders gewichtig sein, so das Bundesarbeitsgericht.

Bewertung

Ob die Tarifvertragsparteien vorliegend tatsächlich aufgrund der Corona-Krise eine Aussetzung der Altersversorgungsbeiträge beschließen durften und dafür entsprechend gewichtige Gründe, welche die den Arbeitnehmern durch diese Aussetzung entstehenden Nachteile ausgleichen, vorlagen, wird nun das Landesarbeitsgericht Köln überprüfen.

Grundsätzlich müssen bei einer Verschlechterung der Tarifvertragsbedingungen die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zum Vertrauensschutz und zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen angewendet werden. Ein neuer Tarifvertrag darf zu Lasten des Arbeitnehmers verschlechternde Regelungen enthalten, jedoch darf dies nur aus legitimen Gründen geschehen. Ob die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf Lufthansa solche legitimen Gründe darstellen und eine Aussetzung der betrieblichen Altersversorgung erfolgen durfte, wird das Landesarbeitsgericht Köln entscheiden. Ob der Kläger dieses Falles eine Entrichtung möglicherweise ausstehender Beiträge verlangen kann, wird ebenfalls Teil dieser Entscheidung sein.

Claudia Lorig
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.