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Arbeitsrecht: Inflationsausgleichsprämie gilt als pfändbares Arbeitseinkommen

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2024 – IX ZB 55/23

Hintergrund

In einem Beschluss im April letzten Jahres stellte der Bundesgerichtshof fest, dass eine vom Arbeitgeber einmalig gezahlte Inflationsausgleichsprämie als Arbeitseinkommen zu klassifizieren ist und somit einer Pfändung unterliegen und Teil der Insolvenzmasse sein kann.

Im vorliegenden Fall wurde auf Antrag des Schuldners im Februar 2023 ein Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Bei dem Schuldner handelt es sich um einen Krankenpfleger, der als solcher aufgrund der im Rahmen eines entsprechenden Beschlusses der Bundeskommission eingeführten Richtlinien für Arbeitsverträge vom 08.12.2022 von seinem Arbeitgeber eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 € ausgezahlt bekam.

Der Schuldner beantragte im Juni 2023, die Unpfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie feststellen zu lassen und diese freizugeben, was das Insolvenzgericht Bielefeld jedoch ablehnte. Daraufhin legte der Schuldner eine sofortige Beschwerde bei dem Landgericht Bielefeld ein, die jedoch ebenfalls zurückgewiesen wurde. Mit einer Rechtsbeschwerde wandte sich der Schuldner nun an den Bundesgerichtshof.

Gründe

Der Bundesgerichtshof schloss sich der Ansicht des Landgerichts Bielefeld an, dass es sich bei der Inflationsausgleichsprämie um Arbeitseinkommen handele, welches gemäß § 850c der Zivilprozessordnung (ZPO) pfändbar ist. Die Unpfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie hätte der Gesetzgeber gezielt anordnen müssen, wie dies etwa für die Energiepreispauschale geschah. Die Inflationsausgleichsprämie ist weder gemäß § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, noch werden die Pfändungsgrenzen, die in § 850c ZPO vorgesehen sind, überschritten.

Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zu diesem Zeitpunkt gehört, Teil der Insolvenzmasse, wobei Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht dazugerechnet werden. Die Insolvenzordnung verweist insofern auf die Vorschriften zu unpfändbaren Gegenständen und Pfändungsgrenzen, die in der ZPO vorgesehen sind.

Die Inflationsausgleichsprämie wurde in der Regel in zwei Teilbeträgen von jeweils 1.500 € an Anspruchsberechtigte ausgezahlt. Die Prämie wurde seitens des Arbeitgebers aus eigenen Mitteln ausgezahlt und stellte eine freiwillige Zusatzleistung zum Arbeitslohn dar. Die Prämie wurde nicht mit öffentlichen Mitteln finanziert, sondern lediglich an steuerliche und abgabenrechtliche Vorteile geknüpft, da der Betrag von bis zu 3.000 € steuer- und sozialversicherungsabgabenfrei ausgezahlt werden konnte. Da die Zahlung auf freiwilliger Basis seitens des Arbeitgebers ausgezahlt wurde und dazu keine Verpflichtung bestand, zählt diese zum Arbeitseinkommen.

Die Inflationsausgleichsprämie fällt auch nicht unter den Pfändungsschutz gemäß § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO. Diese Regelung sieht vor, dass das Gericht dem Schuldner im Falle der Pfändung nicht wiederkehrend zahlbarer Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten während eines angemessenen Zeitraums eine gewisse Summe zu belassen hat. Die Prämie ist jedoch Teil des wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens, da sie auch in Verbindung mit diesem ausgezahlt wurde. Dass die Prämie lediglich einmalig ausgezahlt wurde, ändert daran nichts, vielmehr wird sie lediglich zu dem zu zahlenden Gehalt hinzugerechnet.

Der Pfändungsschutz der Inflationsausgleichsprämie richtet sich daher nach den §§ 850a bis 850h ZPO. Ein Ausschluss der Pfändbarkeit ergibt sich ferner nicht aus § 850a Nr. 3 ZPO, da es sich weder um eine Erschwerniszulage handelt, noch um eine Aufwandsentschädigung. Da die Prämie auch nicht zweckgebunden ausgezahlt wurde, unterliegt sie auch nicht dem Ausschluss der Pfändbarkeit gemäß § 851 Abs. 1 ZPO, denn sie ist übertragbar.

Bewertung

Der Insolvenzschuldner dieses Falles war Empfänger einer Inflationsausgleichsprämie geworden, deren Unpfändbarkeit er feststellen lassen wollte, um zu vermeiden, dass die Prämie Teil der Insolvenzmasse wird. Die Insolvenzmasse stellt das gesamte Vermögen des Schuldners zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dar und aus dieser werden die Gläubiger des Schuldners dann befriedigt. Dabei können einzelne Gegenstände und Forderungen nicht Teil der Insolvenzmasse werden, also dem Schuldner verbleiben, beispielsweise, wenn diese Gegenstände auch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung gepfändet werden dürften.

Die ZPO erhält verschiedene Pfändungsschutzvorschriften um gewisse besonders schutzwürdige Gegenstände und ein gewisses Existenzminimum des Insolvenzschuldners zu sichern. Arbeitseinkommen kann grundsätzlich gepfändet werden, gewisse Pfändungsgrenzen sind jedoch vorgesehen in § 850c ZPO. Da es sich bei der Inflationsausgleichsprämie um einen Teil des Arbeitseinkommens handelt, denn diese wurde als Teil des Gehalts ausgezahlt, unterliegt die Prämie daher auch der Pfändung und wird somit Teil der Insolvenzmasse. Der Bundesgerichtshof stellte darüber hinaus fest, dass keine Ausnahmeregelungen für die Pfändbarkeit der Prämie greifen.

Matthias Gollor
Anwalt für Arbeitsrecht

Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.

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