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Arbeitsrecht: Erstattungsanspruch des Arbeitsentgelts bei Quarantäne wegen Corona-Ansteckungsverdacht

Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 05.12.2024 – 3 C 7.23, 3 C 8.23, Pressemitteilung Nr. 63/2024 vom 05.12.2024

Hintergrund

In diesen Fällen ging es um die Erstattungsfähigkeit von Vergütungen, die seitens der Arbeitsgeber an Arbeitnehmer gezahlt wurden, die sich aufgrund des Verdachts einer Coronavirus-Infektion in häusliche Quarantäne begeben mussten. Geklagt hatten mehrere Unternehmen, die vom Staat die Erstattung dieser Zahlungen verlangen.

Aufgrund der damals geltenden Vorschriften waren Arbeitnehmer bei dem Verdacht einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 dazu verpflichtet, sich für eine Dauer von zumeist 14 Tagen in häusliche Quarantäne zu begeben. In einem solchen Fall bestand jedoch für die Arbeitnehmer ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts gemäß § 616 Satz 1 des Bürgerliches Gesetzbuchs (BGB). Im Falle einer Hinderung an der Erbringung der Arbeitsleistung für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit konnte solch ein Anspruch bestehen.

Die klagenden Unternehmen waren im Mai und Juni 2020 an zwei ihrer Standorte von einer Vielzahl an Infektionen ihrer Beschäftigten mit dem Coronavirus betroffen. Die erkrankten Arbeitnehmer wurden angewiesen, sich in häusliche Quarantäne zu begeben. Die Klägerinnen zahlten den Arbeitnehmern weiterhin während dieser Zeiträume das vereinbarte Arbeitsentgelt und führten Sozialversicherungsbeiträge ab. Dabei ging es in einem Verfahren um eine Absonderungsdauer von fünf Wochen, in dem anderen Verfahren um 14 Tage.

Im Nachgang beantragten die Unternehmen bei dem beklagten Land die Rückerstattung dieser gezahlten Beträge und beriefen sich dabei auf § 56 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Dieser sah eine Entschädigungsmöglichkeit vor, wonach ein aufgrund des IfSG von einem Arbeits- oder Erwerbsverbot betroffener Träger von Krankheitserregern oder Ansteckungsverdächtiger eine Entschädigung in Geld verlangen kann, wenn aufgrund des Verbots ein Verdienstausfall erlitten wird. Diese Entschädigung war durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer zu leisten, dem diese dann wiederum auf Antrag des Arbeitgebers von der zuständigen Behörde erstattet werden sollte.

Solche Anträge wurden von den Klägerinnen gestellt, jedoch von der zuständigen Behörde abgelehnt. Daraufhin wandten sich die klagenden Unternehmen erstinstanzlich erfolgreich an das Verwaltungsgericht Minden bzw. das Verwaltungsgericht Münster. Das in der Berufungsinstanz befasste Oberverwaltungsgericht Münster wies die Klagen ab, da die betroffenen Arbeitnehmer keinen Verdienstausfall erlitten hätten, sondern die Unternehmen gemäß § 616 Satz 1 BGB der Pflicht unterlagen, für die Zeit der angeordneten Quarantäne weiterhin den Lohn auszuzahlen. Dagegen wandten sich die Klägerinnen an das Bundesverwaltungsgericht.

Gründe

Das Bundesverwaltungsgericht hob im Fall der fünfwöchigen Quarantäne das Berufungsurteil auf und verwies die Entscheidung zurück an das Oberverwaltungsgericht. Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass es sich bei einer Quarantänedauer von fünf Wochen jedenfalls dann nicht um eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB handele, wenn der Arbeitnehmer zu dem fraglichen Zeitraum in einem unbefristeten, ungekündigten Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber stünde. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte eine andere Ansicht vertreten, die nach Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht mit Bundesrecht vereinbar ist.

Während es sich bei der damals üblichen Quarantänedauer von 14 Tagen um eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB handelte, sei eine Quarantänedauer von fünf Wochen dagegen derart lang, dass ein Weiterzahlungsanspruch gemäß § 616 Satz 1 BGB ausscheiden könnte.

In dem Verfahren, welches lediglich eine Quarantänedauer von 14 Tagen zum Gegenstand hatte, wies das Bundesverwaltungsgericht dagegen die Revision der Klägerin zurück, da dieser Zeitraum in der Tat als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit zu qualifizieren sei, weshalb das Unternehmen verpflichtet war, dem sich in Quarantäne befindlichen Arbeitnehmer weiterhin den Lohn zu zahlen.

Bewertung

Ist ein Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit daran gehindert, seine Arbeitsleistung zu erbringen und ist der Grund dafür nicht seinem persönlichen Verschulden zuzurechnen, so muss der Arbeitgeber ihm für den fraglichen Zeitraum der vorübergehenden Verhinderung weiterhin seine Vergütung zahlen. Ab wann die Dauer einer Quarantäneanordnung die Schwelle der verhältnismäßigen Erheblichkeit überschreitet, beschäftigte vorliegend das Bundesverwaltungsgericht.

Während ein Zeitraum von fünf Wochen bereits erheblich sein kann, so ist die übliche Quarantänedauer von 14 Tagen noch nicht erheblich. Dies hat zur Folge, dass im letzteren Fall der Arbeitgeber weiterhin verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer seinen Lohn zu zahlen, weshalb diesem kein Verdienstausfall entsteht und somit auch keine Entschädigungsmöglichkeit nach § 56 IfSG besteht. Bei einer Quarantäne von einer Dauer von 14 vollen Tagen kann der Arbeitgeber daher eine Erstattung der gezahlten Beträge vom Staat nicht verlangen.

Dr. iur. Christoph Roos
Anwalt für Medizinrecht

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