Permalink

0

Wohneigentumsrecht: Entschädigung wegen Laubfall vom Nachbargrundstück?

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.08.2024 – 19 U 67/23

Hintergrund

In dem vorliegenden Fall entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, dass eine Grundstückseigentümerin keinen Anspruch auf eine sogenannte „Laubrente“ hat, um einen erhöhten Reinigungsaufwand für ihren Pool auszugleichen.

Bei den Parteien des Falles handelt es sich um Nachbarinnen, wobei auf dem Grundstück der Beklagten mit einem Abstand von 1,7 m bzw. 2,7 m zu der Grundstücksgrenze der Klägerin zwei etwa 90 Jahre alte Eichen standen. Diese Bäume verursachten einen erhöhten Reinigungsaufwand aufgrund von herabfallenden Eicheln und Blättern. Auf dem Grundstück der Klägerin war ein offener Pool, dessen Abstand zum Nachbargrundstück sich unterhalb der Grenzabstandswerte befand. Die Klägerin begehrte von der Nachbarin eine monatliche Vorauszahlung in Höhe von 277,62 € zum Ausgleich der Reinigungskosten.

Das Landgericht Wiesbaden gab der Klage erstinstanzlich statt und bejahte einen Anspruch der Klägerin. Dagegen wandte sich die Beklagte nun erfolgreich mit einer Berufung an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Gründe

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verneinte einen Ausgleichsanspruch der Klägerin gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in analoger Anwendung, da zum einen kein Anspruch auf Beseitigung der streitgegenständlichen Bäume bestünde, denn – auch wenn nicht endgültig festgestellt werden konnte, ob ein solcher Beseitigungsanspruch aufgrund des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes von 1962 in der Vergangenheit mal bestand – so sei die Ausschlussfrist zur Beseitigung der Bäume jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung seit langer Zeit unstrittig abgelaufen.

Ein solcher Beseitigungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Gedanken des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, denn die nachbarlichen Rechte und Pflichten sind grundsätzlich spezialgesetzlich geregelt und ein ausnahmsweise möglicher Rückgriff auf die Gebote von Treu und Glauben ist nur möglich, wenn ein solcher über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehender Ausgleich aus Billigkeitserwägungen unbedingt erforderlich ist.

Ein solcher Fall lag jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht vor, da die Reinigungsarbeiten an dem Pool, dem Garten der Klägerin und ihrem Reinigungsteich zwar über das übliche Maß hinaus gingen, das Hessische Nachbarrechtsgesetz in § 43 jedoch ausführlich einen Beseitigungsanspruch und einen Anspruch auf Rückschnitt regelt und eine derart nicht mehr hinnehmbare, schwere Beeinträchtigung nach Ansicht des Gerichts somit nicht vorlag. Vielmehr müssten die Auswirkungen das zumutbare Maß auf eine Art und Weise übersteigen, sodass die Beeinträchtigung nicht mehr entschädigungslos hinzunehmen ist.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen sind jedoch der Laub- und Fruchtabwurf beider Bäume nicht derart stark, dass sie das Maß der Zumutbarkeit überschreiten, sondern es handelt sich um nicht wesentliche Beeinträchtigungen. Eine wesentliche Beeinträchtigung wäre etwa gegeben, wenn das herabfallende Laub dazu führte, dass Dachrinnen und Abläufe am Haus häufiger als sonst notwendig gereinigt werden müssen, wobei dies auch durch Laubschutzgitter verhindert werden könnte. Das Grundstück der Klägerin wird jedoch nicht merklich beeinträchtigt oder in seiner Nutzung eingeschränkt. Den zusätzlichen Reinigungsaufwand schätzte der Sachverständige ebenfalls als nicht erheblich ein.

Bewertung

Ein Anspruch auf einen sogenannten nachbarschaftlichen Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in analoger Anwendung besteht, wenn ein Eigentümer eine Einwirkung eines anderen Grundstücks zu dulden hat und diese Einwirkung die ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt und die Einwirkung daher nicht entschädigungslos hinzunehmen ist. Dies ist also der Fall, wenn der Nachbar die Einwirkung des Nachbargrundstücks, bei der es sich um Laub, Geräusche oder andere Emissionen handeln kann, faktisch zu dulden hat.

Durch diese Einwirkung muss das Grundstück des Eigentümers wesentlich beeinträchtigt werden, was das Oberlandesgericht Frankfurt am Main vorliegend verneinte. Die Bäume sind zum einen sehr alt und standen schon zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin einen offenen Pool auf ihrem Grundstück erbaute, an ihrem Standort. Die Klägerin musste also mit Laubabwurf und einem gewissen Reinigungsaufwand rechnen. Außerdem halte sich der Abwurf der Bäume in einem üblichen Rahmen, der die Nutzung des Grundstücks der Klägerin nicht beeinträchtigt.

Hagen Albus
Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht

Lesen Sie mehr zu den Schwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.