Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.07.2024 – 3 AZR 247/23
Hintergrund
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Konzernarbeitgeber eine bislang konzernweit geregelte betriebliche Altersversorgung durch eine neue Konzernbetriebsvereinbarung ersetzen kann, beschäftigte vor Kurzem das Bundesarbeitsgericht.
Zwischen den Parteien des Falles ist die Anspruchshöhe des Klägers hinsichtlich seiner betrieblichen Altersversorgung strittig. Der Kläger war seit Oktober 1986 als Arbeitnehmer bei dem beklagten Konzern angestellt. Dabei enthielt der Arbeitsvertrag eine Klausel, in der bezüglich der Altersversorgung festgesetzt wurde, dass sich die spätere Altersversorgung nach der Pensionsordnung des Konzerns bestimmen würde, welche wiederum die Regelung enthielt, dass die Rente nach Prozentsätzen des rentenfähigen Einkommens bemessen wird, und die monatliche Rente sich nach den anrechnungsfähigen Dienstjahren bestimmt.
Diese Pensionsordnung aus dem Jahre 1977 wurde am 01.01.1987 durch eine neue, geänderte Pensionsordnung abgelöst, welche Kürzungen enthielt. Diese wurden seitens des Konzerns mit einem außergewöhnlich hohen Rückstellungsbedarf begründet. Der Kläger führt jedoch aus, dass die Beklagten diese Rückstellungsbedarf lediglich bezüglich des gesamten Konzerns, nicht jedoch hinsichtlich der konkreten Tochtergesellschaft, bei der der Kläger tätig war, dargelegt habe. Das durch die neue Pensionsordnung begründete Einsparvolumen sei außerdem nicht schlüssig und das Gesamtkonzept zur Kosteneinsparung sei nicht seitens der Beklagten erläutert worden.
Der Kläger trat am August 2020 in den Ruhestand ein und bezieht seitdem von der Beklagten eine betriebliche Altersversorgung, die sich auf 180,76 € brutto monatlich beläuft. Nach Ansicht des Klägers ist seine betriebliche Altersversorgung ausschließlich anhand der Pensionsordnung aus dem Jahre 1977 zu bemessen, da diese nicht wirksam durch die neue Pensionsordnung aus dem Jahre 1987 abgelöst worden sei. Daher fordert der Kläger die Nachzahlung einer erhöhten Altersversorgung im Umfang von 517,68 € monatlich.
Die Beklagte war andererseits der Ansicht, dass der Wegfall oder die Begrenzung künftig erdienbarer Zuwächse von dem Bestehen sachlich-proportionaler Gründe abhängig zu machen sei. Diese sachlich-proportionalen Gründe hätten damals bestanden, weshalb die Einführung der neuen Pensionsordnung gerechtfertigt gewesen sei. Dies sei insbesondere aufgrund der damaligen Stahlkrise, welche den Konzern stark getroffen hätte, der Fall gewesen.
Das Arbeitsgericht Bochum und das Landesarbeitsgericht Hamm wiesen die Klage ab, woraufhin der Kläger eine Revision zum Bundesarbeitsgericht anstrengte.
Gründe
Das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück, da die Begründung des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft war. Grundsätzlich durfte die Pensionsordnung aus dem Jahre 1977 von der gleichrangigen Pensionsordnung des Jahres 1987 abgelöst werden. Es bedarf jedoch unterschiedlich gewichtiger Gründe, um eine solche Ablösung zu rechtfertigen, wenn die Neuregelung eine Verschlechterung verglichen mit der bisherigen Versorgungsordnung darstellt.
Insbesondere Zuwächse der betrieblichen Altersversorgung, die sich aus dienstzeitunabhängigen, dynamischen Berechnungsfaktoren ergeben, dürfen seitens des Arbeitgebers nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Als triftiger Grund wurde vorliegend angeführt, dass der Konzern unmittelbar und mittelbar von der Stahlkrise betroffen war. Inwiefern sich konkret dadurch wirtschaftliche Probleme des Konzerns ergaben, arbeitete das Landesarbeitsgericht jedoch nicht heraus, sondern stellte auf eine prognostizierte Entwicklung der finanziellen Lage des Konzerns ab.
Zu dieser befürchteten negativen Entwicklung trug auch ein damals vermuteter Anstieg der finanziellen Ausgaben bei den sogenannten Pensionsrückstellungen bei. Wodurch ein solcher prognostizierter erheblicher Anstieg begründet sein sollte wurde jedoch nicht festgestellt. Inwiefern die im Rahmen der neuen Pensionsordnung eingeführten Einsparungen proportional zu der wirtschaftlichen Lage und der vermuteten Entwicklung der finanziellen Situation des Konzerns waren, wurde ebenfalls nicht hinreichend von dem Landesarbeitsgericht Hamm herausgearbeitet.
Bewertung
Ob für die Ablösung einer konzernweit einheitlich geregelten Altersversorgung sachlich-proportionale Gründe bestehen, die eine Verschlechterung der bisherigen Regelung zur Folge haben, beurteilt sich nach den tatsächlichen Umständen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Konzern, so das Bundesarbeitsgericht.
Dabei sind sowohl Aspekte der Verhältnismäßigkeit als auch des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, weshalb das Bundesarbeitsgericht ein dreistufiges Prüfungsschema für die Zulässigkeit der Ablösung solcher Versorgungsregelungen anwendet. Bei der Rechtfertigung einer solchen Ablösung wird hinsichtlich der Kürzung verschiedener Bezüge differenziert und es werden unterschiedlich hohe Anforderungen an die rechtfertigenden Gründe gestellt.
Dabei dürfen entsprechend des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) ermittelte Teilbeträge, die auf Basis der bisher geltenden Pensionsordnung erdient wurden, den Arbeitnehmern nur aufgrund zwingender Gründe im Einzelfall entzogen werden, da deren Vertrauen zu schützen ist. Zuwächse, die dienstzeitunabhängig aufgrund von dynamischen Berechnungsfaktoren ergehen, dürfen nur aus triftigen Gründen gekürzt werden. Lediglich bei dienstzeitabhängigen und bisher noch nicht erdienten Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe. Ob diese im vorliegenden Fall gegeben waren, hat nun das Landesarbeitsgericht Hamm festzustellen.
Dr. iur. Christoph Roos
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.