Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.07.2024, 9 AZR 227/23
Hintergrund
Zwischen den Parteien dieses Falles wurde im März 2018 ein Ausbildungs- und Studienvertrag, der dem Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes unterliegt, geschlossen, wobei darin unter anderem Rückzahlungsbedingungen vertraglich geregelt waren. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Studentin, die bei der klagenden Bundesnetzagentur ein duales Studium begann.
Darüber hinaus unterlag der Ausbildungs- und Studienvertrag dem Allgemeinen und Besonderen Teil des Berufsbildungsgesetzes und der Richtlinie des Bundes für ausbildungsintegrierte duale Studiengänge. Hinsichtlich der Zahlung der Studiengebühren legte der Vertrag fest, dass diese vom Ausbildenden übernommen werden und der Studierende außerdem ein monatliches Studienentgelt erhalten solle.
Die Rückzahlungsbedingungen und -grundsätze des Vertrages legten fest, dass der Studierende nach Beendigung des Studiums im Falle einer Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis eine fünfjährige Bindung an den Ausbildenden als Arbeitgeber haben solle. Der Studienbetrag, den der Ausbildende grundsätzlich zahlt, sei vom Studierenden zurückzuzahlen, wenn das Studium durch eine aufgrund eines von dem Studierenden zu vertretenen Grundes und durch eine seitens des Ausbildenden ausgesprochene Kündigung oder durch eine vom Studierenden ausgesprochene, aber nicht von einem wichtigen Grund gedeckte Eigenkündigung beendigt wird. Eine Rückzahlung hat auch dann zu erfolgen, wenn ein Angebot des Ausbildenden, im Anschluss an das Studium ein Beschäftigungsverhältnis zu beginnen, von dem Studierenden abgelehnt wird.
Die Beklagte beendete den Ausbildungsteil des Studiums im Juni 2021 und kündigte den Ausbildungs- und Studienvertrag am 30.08.2021 zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Daraufhin forderte die Bundesnetzagentur von der Beklagten die Erstattung der Ausbildungs- und Studienkosten in Höhe von etwa 8.000 €. Die Klägerin lehnte die Zahlung ab, da sie der Ansicht war, die Erstattungsregelung im Falle einer Eigenkündigung des Studierenden benachteilige sie unangemessen und die Klausel sei daher unwirksam.
Das erstinstanzlich befasste Arbeitsgericht Koblenz lehnte die Klage ab, ebenso wie das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz. Die dagegen gerichtete Revision der Bundesnetzagentur vor dem Bundesarbeitsgericht hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Gründe
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist die Erstattungsregelung im Falle einer Eigenkündigung unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da es die Beklagte entgegen der Gebote von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen würde. Bei den vertraglichen Regelungen hinsichtlich einer Rückzahlung handelt es sich um Abreden, die einer Kontrolle anhand der Vorschriften zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen. Dies liegt vor allem daran, dass die vertraglichen Regelungen von der gesetzlichen Regelung abweichen, denn es besteht zwar mittlerweile ein Tarifvertrag, der den gesetzlichen Vorschriften gleichsteht, jedoch war dieser zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht in Kraft getreten.
Bei der Rückzahlungsregelung handelt es sich um eine Vorschrift, welche die Beklagte unangemessen benachteiligt, da sie im Einzelfall gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstößt. Eine Erstattungsregelung, die ohne weitere Differenzierung an das Ausscheiden aus dem Vertragsverhältnis aufgrund einer Eigenkündigung anknüpft, ist unzulässig. Für eine zulässige Regelung müsste hinsichtlich der verschiedenen möglichen Gründe eines vorzeitigen Ausscheidens unterschieden werden.
Die vorliegend gewählte vertragliche Regelung differenziert nicht hinsichtlich einer Kündigung, die durch Gründe, die der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verantworten hat, bedingt ist. Der Ausnahmetatbestand, den die Rückzahlungsvereinbarung vorsieht, wonach die Erstattungspflicht beim Vorliegen einer Kündigung aus einem wichtigen Grunde entfällt, ist zu eng, da lediglich wichtige Gründe im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB erfasst sind, aber keine Gründe, die der Sphäre des anderen Vertragspartners zuzuordnen sind. So etwa in dem Fall, in dem die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch ein vertragswidriges Verhalten des Verwenders veranlasst wurde.
Bewertung
Eine vorformulierte Vertragsbedingung, die mehrfach verwendet wird, kann unangemessen sein, wenn sie ein rechtlich anerkanntes Interesse des Vertragspartners beeinträchtigt, ohne dass dies durch begründete und billigenswerte Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile für den Vertragspartner ausgeglichen wird. Es sind bei der Abwägung die Interessen der jeweiligen Vertragsparteien miteinander in Ausgleich zu bringen.
Dies ist – wie das Bundesarbeitsgericht vorliegend entschieden hat – etwa nicht der Fall, wenn eine vertragliche Klausel, welche die Rückzahlung von Studien- und Ausbildungsgebühren aufgrund einer Kündigung des Vertragsverhältnisses vorsieht, hinsichtlich des Grundes der Kündigung nicht weitergehend differenziert. In einer solchen Regelung eine Rückausnahme beim Vorliegen eines wichtigen Grundes vorzusehen, genügt jedenfalls nicht, um die Vorschrift als hinreichend differenzierend zu qualifizieren. Daher ist eine solche Klausel unwirksam, denn sie benachteiligt einen Vertragspartner in unangemessener Art und Weise.
Claudia Lorig
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.