
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.10.2024 – VIII ZR 106/23
Hintergrund
Bei den Beklagten dieses Falles handelt es sich um die Mieter einer Wohnung der klagenden Vermieterin, die seit dem Jahre 1994 hinsichtlich der bezeichneten Wohnung in einem Mietverhältnis zu der Klägerin stehen. Im Oktober 2019, Januar 2020 und Mai 2021 kamen die Beklagten ihrer Mietzinszahlungspflicht nicht nach.
Die Klägerin erinnerte sie wiederholt an die Zahlungsverpflichtung und erklärte am 08.06.2021 die fristlose und hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund des Zahlungsverzugs. Der fehlende Mietzins wurde von den Beklagten am 30.06.2021 vollständig beglichen.
Das erstinstanzlich befasste Amtsgericht Berlin-Kreuzberg gab der von der Vermieterin angestrengten Räumungsklage aufgrund der ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses statt. Die beklagten Mieter wandten sich gegen diese Entscheidung an das Landgericht Berlin II, welches die Räumungsklage abwies. Daraufhin legte die Klägerin Revision vor dem Bundesgerichtshof ein – mit Erfolg.
Gründe
Maßgebend war vorliegend die Frage, ob eine Nachzahlung der fälligen Mietforderungen innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht nur eine außerordentliche Kündigung unwirksam werden lässt, sondern auch eine ordentliche fristgemäße Kündigung. Letzteres nahm das Landgericht Berlin II an, indem es begründete, dass eine ordentliche Kündigung, die auf denselben, mittlerweile ausgeglichenen Zahlungsrückstand abstellt wie die außerordentliche Kündigung, ebenfalls durch die Zahlung der rückständigen Miete innerhalb der Schonfrist unwirksam werden würde.
Das Landgericht Berlin II stellte sich damit gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in vergangenen Urteilen eine Auswirkung des Ausgleichs von Mietrückständen innerhalb der Schonfrist auf eine auf diesen Mietrückstand gestützte ordentliche Kündigung abgelehnt hatte. Nach Ansicht des Landgerichts Berlin II liegt jedoch hinsichtlich dieser Frage keine bindende Gesetzgebung vor, aufgrund derer die Wirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB sich nicht auch auf eine ordentliche Kündigung beziehen könne.
Dieser Ansicht trat der Bundesgerichtshof in seinem Revisionsurteil entgegen mit der Begründung, dass die ordentliche Kündigung nicht aufgrund der Schonfristzahlung unwirksam geworden sei, da sich die Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB gerade nur auf außerordentliche Kündigungen beziehe. Erfolgt innerhalb der Schonfrist ein Ausgleich des Mietrückstandes, so hat dies lediglich Auswirkungen auf die deshalb ausgesprochene außerordentliche Kündigung.
Dies ist insbesondere dem gesetzgeberischen Willen zu entnehmen, da die Norm die gesetzgeberischen Regelungen zur außerordentlichen Kündigung ergänzen soll. In der Vergangenheit kam es zu gesetzgeberischen Bemühungen, welche den Anwendungsbereich des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf die ordentliche Kündigung erweitern sollten, jedoch wurden derartige Gesetzesanträge, wie in den Bundestags-Plenarprotokollen nachzulesen ist, abgelehnt und somit bisher nicht umgesetzt.
Bewertung
Das Landgericht Berlin II wurde abermals vom Bundesgerichtshof hinsichtlich seiner Ansicht zu einer Erstreckung der Wirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf eine ordentliche Kündigung, die in den rückständigen Mietforderungen ihre Grundlage findet, korrigiert. Bereits im Jahre 2020 und 2021 urteilte das Landgericht Berlin II entsprechend seiner Ansicht, dass eine Zahlung der Mietrückstände innerhalb der Schonfrist auch eine ordentliche Kündigung heilen würde. In beiden Fällen wurden diese Urteile vom Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren aufgehoben – so auch erneut in dem vorliegenden Fall, wobei dieses Mal das Verfahren sogar an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin II zurückverwiesen wurde.
Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird eine Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit eines Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird, also eine Nachzahlung erhält. Diese Vorschrift gilt entsprechend des Gesetzeswortlauts ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, welcher die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund regelt.
Eine Anwendung der Schonfristregelung auch auf die ordentliche Kündigung, die sich ebenfalls auf rückständige Mietforderungen bezieht, widerspricht somit explizit dem Wortlaut des Gesetzes, weshalb der Bundesgerichtshof wiederholt ein solches Urteil des Landgerichts Berlin II in der Revisionsinstanz aufhob. Der gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an Gesetz und Recht gebundene Richter kann gesetzgeberische Vorgaben nun einmal nicht entsprechend eigener Wertungen verändern und dasjenige durchsetzen, was bisher im gesetzgeberischen Verfahren nicht erreicht wurde.
Hagen Albus
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
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