Permalink

0

Mietrecht: AGG-Anspruch eines Mieters gegen die Wohnungsbaugesellschaft

Landgericht Berlin II, Urteil vom 30.09.2024 – 66 S 24/24

Hintergrund

Geklagt hatte vorliegend ein Mieter, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, und zu diesem Zwecke den Bau einer Rampe in seinem Wohnhaus verlangte. Nachdem die Wohnungsbaugesellschaft dies verweigerte, forderte der Kläger einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgrund einer rechtswidrigen Diskriminierung ein.

Die beklagte Wohnungsbaugesellschaft ist die Vermieterin des Klägers, die über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg dem begehrten Bau einer Rampe zum Zwecke des für den Kläger benötigten barrierefreien Zugangs zum Wohnhaus nicht zustimmte. Darin sah der Kläger eine Verletzung des AGG und nahm die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch.

Das erstinstanzlich befasste Amtsgericht Berlin-Kreuzberg lehnte eine Klage ab, da ein Entschädigungsanspruch des Klägers nicht bestehen würde. Eine Benachteiligung gemäß § 3 AGG würde weder in unmittelbarer noch in mittelbarer Weise vorliegen. Außerdem habe der Kläger die maßgebliche Ausschlussfrist des § 21 Abs. 5 AGG nicht eingehalten. Dagegen legte der Kläger Berufung zum Landgericht Berlin II ein, welches ihm Recht gab.

Gründe

Gemäß § 3 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person aufgrund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, aus Gründen der Rasse, des Alters oder der sexuellen Identität eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung ist dagegen zu bejahen, wenn grundsätzlich neutrale Vorschriften eine Person aufgrund eines der genannten Gründe gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können und dies nicht in rechtmäßiger Weise sachlich gerechtfertigt werden kann.

Das Landgericht Berlin II bejahte eine Benachteiligung des Klägers bei der Durchführung eines massengeschäftlichen Rechtsverhältnisses nach § 19 I Nr. 1 Alt. 2 AGG aufgrund der in der Person des Klägers vorliegenden Behinderung und somit einem der in § 1 AGG genannten Gründe. Bei derartigen sogenannten massengeschäftlichen Rechtsverhältnissen ist eine Benachteiligung einzelner Personen aufgrund dieser illegitimen Gründe nicht zulässig. Erfasst ist dabei vom Anwendungsbereich des AGG auch der Wohnraum und der Zugang zu selbigem.

Die beklagte Wohnungsbaugesellschaft ist für die Verwaltung von über 50 Mietwohnungen zuständig, sodass ein solches Massengeschäft vorlag. Eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers bejahte das Landgericht Berlin II, da dem Kläger, dem ein barrierefreier Zugang zu der Wohnung gemäß § 554 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zugestanden hätte, der Bau dieser Rampe in rechtswidriger Weise verwehrt wurde. Die Wohnungsbaugesellschaft hat es vielmehr trotz mehrfacher Aufforderungen und Nachfragen seitens des Mieters und der für diesen gegebenen Notwendigkeit der Rampe unterlassen, diese einzubauen oder die Zustimmung zu einer solchen Rampe zu erteilen.

Daher gestand das Landgericht Berlin II dem Kläger einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 11.000 € zu.

Bewertung

Gemäß § 15 Abs. 2 AGG kann im Falle einer unmittelbaren oder mittelbaren Benachteiligung ein Anspruch auf angemessene Entschädigung bestehen. Eine solche Benachteiligung in Form einer unterschiedlichen Behandlung kann dabei ausnahmsweise zulässig sein, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile verhindert oder ausgeglichen werden. Derartige positive Maßnahmen hat die Wohnungsbaugesellschaft jedoch nicht ergriffen, sondern im Gegenteil ihre Pflichten verletzt, indem sie die Zustimmung zu der Rampe nicht erteilte.

Es lag auch kein sachlicher Grund vor, der eine Benachteiligung des Klägers ausnahmsweise hätte rechtfertigen können, wobei § 20 AGG beispielhaft einzelne zulässige sachliche Gründe benennt. So ist etwa eine unterschiedliche Behandlung zur Vermeidung von Gefahren, zur Verhütung von Schäden oder zum Schutze der persönlichen Sicherheit zulässig. Offensichtlich ist der vorliegende Fall jedoch anders gelagert, weshalb das Landgericht Berlin II die beklagte Wohnungsbaugesellschaft zu Recht zu einer Zahlung verurteilte und diese aufgrund der gravierenden Nachteile, die der Kläger zu erleiden hatte, auch entsprechend hoch bezifferte.

Hagen Albus
Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht

Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.