Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2024 – 2 Sa 14/24
Hintergrund
Geklagt hatte vorliegend eine Managerin auf der dritten Führungsebene im Daimler-Konzern, die eine geringere Vergütung verglichen sowohl mit ihren männlichen Kollegen als auch mit ihren weiblichen Kolleginnen geltend machte. Die Klägerin ist seit 30 Jahren in dem Unternehmen tätig und hat die Hälfte ihrer Berufszeit im Management gearbeitet.
Nachdem sie zeitweise Elternzeit genommen hatte – wobei sie währenddessen und auch bei ihrer Rückkehr in das Unternehmen in Teilzeit tätig war – nahm sie später wieder eine Vollzeitstelle wahr. Ihre Vergütung lag jedoch unter dem durchschnittlichen Entgelt sowohl ihrer weiblichen Kolleginnen als auch unter dem Entgelt einer Vergleichsgruppe an männlichen Kollegen in der Führungsriege.
Die Klägerin begehrte daher die Zahlung der Differenz zwischen ihrer individuellen Vergütung und der Vergütung eines spezifischen männlichen Vergleichskollegen, wobei dieser die weltweit höchste Bezahlung eines Mitglieds in der dritten Führungsebene verzeichnet. Hilfsweise verlangte sie die Differenz zu der durchschnittlichen Vergütung der männlichen Vergleichsgruppe. Konkret machte sie daher eine Zahlung von etwa 420.000 € brutto für einen Zeitraum von fünf Jahren geltend.
Das Arbeitsgericht Stuttgart bestätigte die Differenz in der Lohnvergütung und sprach der Klägerin einen Ausgleich zu. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gab der Klägerin in der Berufungsinstanz ebenfalls Recht und gestand ihr die Zahlung der Differenz zwischen dem weiblichen und dem männlichen Mediangehalt zu.
Gründe
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg sprach der Klägerin etwa 130.000 € der eingeklagten 420.000 € brutto für den Zeitraum von 2018 bis 2022 auf Grundlage des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) und des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu. Hinsichtlich der Entgeltbestandteile des Grundgehalts, des Company Bonus, des Pension One-Kapitalbausteins und der virtuellen Aktien nebst Dividendenäquivalenten bejahte das Gericht einen Anspruch der Klägerin.
Gemäß § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts hinsichtlich sämtlicher Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen nicht zulässig. Dieses Verbot wird weiter verstärkt gemäß § 7 EntgTranspG, wonach bei Beschäftigungsverhältnissen für die gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf wegen des Geschlechts.
Diese Vorschriften dienen der Umsetzung von unionsrechtlichen Richtlinien und des Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der ebenfalls sicherstellen soll, dass der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit umgesetzt wird.
Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, nach dem ein Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist, Arbeitnehmer und Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in einer gleichen oder vergleichbaren Lage befinden, nicht unterschiedlich zu behandeln, verbietet eine unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen bei gleicher Arbeit.
Das Landesarbeitsgericht bejahte vorliegend das tatsächliche Vorliegen einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung, da die Vergütung der Klägerin vergleichen mit der Vergütung des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe, sowie der männlichen Vergleichsgruppe deutlich geringer ausfiel. Der Begründung des beklagten Unternehmens, dies läge an Kriterien der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Arbeitsqualität und der Berufserfahrung, folgte das Landesarbeitsgericht nicht, da die Beklagte keine entsprechenden Darlegungen erbringen konnte.
Dabei gestand das Gericht der Klägerin einen Ausgleichsanspruch in Höhe der Differenz zwischen der weiblichen und der männlichen Vergleichsgruppe zu. Eine Anpassung in Höhe des Gehalts des konkret bezifferten, bestbezahltesten Kollegen verneinte das Gericht jedoch, da dessen Gehalt über dem Median der männlichen Vergleichsgruppe lag.
Bewertung
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ist insofern interessant, als dass als Bezugsgröße die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Gehalt der weiblichen Kolleginnen und dem durchschnittlichen Gehalt der männlichen Kollegen gewählt wurde. Nicht als Vergleichsperson herangezogen wurde dabei der Kollege der Klägerin, der ein Spitzenverdiener auf der Ebene der dritten Führungsriege des Unternehmens ist.
Da das EntgTranspG lediglich von einem geringeren Entgelt eines Beschäftigten des anderen Geschlechts spricht, wird teilweise vertreten, dass als Bezugsperson jeder beliebige Kollege des anderen Geschlechts gewählt werden könne – somit auch der Spitzenverdiener. Das Landesarbeitsgericht hat eine Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, sodass eine höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten bleibt.
Grundsätzlich kann eine unterschiedliche Bezahlung bei gleicher Tätigkeit nur etwa durch Gründe der Qualifikation, der Berufserfahrung, einer zeitlich längeren Tätigkeit bei dem Arbeitgeber oder durch andere geschlechtsneutrale, objektive Gründe gerechtfertigt werden. Dabei trägt der Arbeitgeber die Beweislast, das Vorliegen dieser Gründe darzulegen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Deutschland liegt der geschlechterspezifische Verdienstabstand in Deutschland immer noch bei 18 Prozent, wobei dies häufig durch unterschiedliche Qualifikationen, Arbeitszeiten und Erwerbsbiografien begründet ist. Dennoch verbleibt unabhängig von diesen Ursachen ein Gehaltsunterschied von durchschnittlich 7 Prozent zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern.
Julia Wulf
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.