Permalink

0

Baurecht: Kostenvorschussanspruch ist neben Minderung des Vergütungsanspruchs möglich

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.08.2024 – VII ZR 68/22

Hintergrund

Zwischen den Parteien ist ein Anspruch auf Zahlung von Kostenvorschüssen für die Beseitigung von Schallschutzmängeln strittig. Geklagt hatte eine Baufirma, die im Jahr 2012 für die beklagten Eheleute auf deren Grundstück ein Einfamilienhaus gebaut hatte, das am 14.10.2013 abgenommen wurde.

Im Februar 2014 erstellte die Klägerin eine Schlussrechnung über verbleibende Kosten in Höhe von 102.100 €, die sie klageweise einforderte. Das beklagte Ehepaar nahm dagegen mit einer Widerklage die Klägerin auf Rückzahlung zu viel gezahlter Vergütung in Höhe von 94.833 € in Anspruch. Dabei berief sich das Ehepaar auf eine ihrerseits aufgrund von Schallschutzmängeln bezüglich der Lüftung, der Abwasseranlage und des Trittschalls erklärte Minderung.

Das erstinstanzlich befasste Landgericht Lüneburg stellte fest, dass die geltend gemachten Mängel keine Auswirkung auf den Verkehrswert des bebauten Grundstücks haben, und wies daher die Widerklage der Beklagten ab. Daraufhin legten die Beklagten Berufung ein und begehrten, dass die Klägerin dennoch zu einer Zahlung von 20.000 € aufgrund einer Verkehrswertminderung des Grundstücks verurteilt werden sollte.

Das Oberlandesgericht Celle führte in der Berufungsinstanz aus, dass das Landgericht Lüneburg richtig lag mit seiner Feststellung, dass die gerügten Schallschutzmängel den Verkehrswert des Grundstücks nicht mindern würden. Daraufhin forderten die Beklagten eine Verurteilung der Klägerin zu der Zahlung von 20.000 € als Kostenvorschuss für die Beseitigung der behaupteten Schallschutzmängel. Das Oberlandesgericht Celle erhob dahingehend erneut Beweise und verurteilte anschließend die Klägerin zur Zahlung von 16.730 € als Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung.

Die klagende Baufirma war hingegen der Ansicht, dass die Beklagten ihr Begehren nicht von einem Minderungsanspruch auf einen Kostenvorschussanspruch umstellen konnten und wandte sich daher mit einer Revision an den Bundesgerichtshof – jedoch ohne Erfolg.

Gründe

Der Bundesgerichtshof schloss sich der Ansicht des Oberlandesgerichts Lüneburg an, dass das beklagte Ehepaar sein Begehren abändern konnte. Im Falle des Mangels eines bestellten Werkes hat der Besteller ein Wahlrecht zwischen den ihm gemäß § 634 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zustehenden Mängelrechten. Das Oberlandesgericht Celle hatte in materiell rechtlicher Hinsicht bejaht, dass das Werk mangelhaft ist und den Beklagten Kostenvorschussansprüche aufgrund der verschiedenen gerügten Schallschutzmängel zustehen.

Die Geltendmachung dieser Ansprüche ist nicht aufgrund der zuvor erklärten Minderung der Vergütung ausgeschlossen. Wenn kein Minderwert aufgrund der gerügten Werkmängel vorliegt, dann kann der Besteller stattdessen einen Anspruch auf Vorschuss der Kosten für die Mängelbeseitigung geltend machen. Insoweit darf ihm ein Wechsel nicht verwehrt werden.

Aus dem Gesetzeswortlaut lässt sich nicht entnehmen, in welchem Verhältnis das Recht auf Minderung der Vergütung gemäß §§ 634 Nr. 3 Fall 2, 638 BGB und das Recht auf Selbstvornahme und der Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 BGB zueinander stehen, daher ist davon auszugehen, dass beide Rechte nebeneinander bestehen können.

Aus systematischer Hinsicht lässt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs keine andere Lesart ableiten, da durch die Modernisierung des Schuldrechts dem Besteller gerade mehr Möglichkeiten zur Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen an die Hand gegeben werden sollten. Eine Ausschlusswirkung durch die Geltendmachung eines Mängelgewährleistungsrechts wurde lediglich für das Verlangen eines Schadensersatzes statt der Leistung bejaht, da in diesem Fall der Anspruch auf Nacherfüllung dann ausgeschlossen sein soll. Der Bundesgerichtshof hat jedoch bereits in der Vergangenheit mit Hinblick auf den sogenannten „kleinen Schadensersatz“ verneint, dass sich diese Wirkung auch auf die Befugnis zur Selbstvornahme und den Anspruch auf einen Kostenvorschuss erstrecken soll.

Diese Rechtsprechung erweiterte der Bundesgerichtshof nun hinsichtlich der Minderungserklärung, da der Besteller mit dieser zum Ausdruck bringen würde, dass er das Werk trotz des Mangels behalten wolle und außerdem keine Beseitigung des Mangels durch den Unternehmer begehre. Durch die Minderung seien somit lediglich der Anspruch auf Nacherfüllung, ein Rücktritt vom Vertrag und ein „großer Schadensersatz“, der die Rückgängigmachung des Vertrages beinhalten würde, ausgeschlossen.

Bewertung

Ein Kostenvorschussanspruch des Bestellers eines Werkes ergibt sich aus seinem Recht zur Selbstvornahme, also dem Recht, den Mangel des Werkes nach erfolglosem Ablauf einer zur Nacherfüllung gesetzten Frist selber zu beseitigen, und zu diesem Zwecke den Vorschuss der erforderlichen Aufwendungen zu verlangen. Dieser Anspruch ist dann ausgeschlossen, wenn der Werkunternehmer die Nacherfüllung, also die Beseitigung des Mangels oder die Neulieferung eines mangelfreien Werks verweigern darf, etwa weil diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

Wurde einem Bauunternehmer gegenüber zunächst die Minderung der vereinbarten Vergütung erklärt, so hat dies nicht zur Folge, dass ein Kostenvorschussanspruch anschließend nicht mehr geltend gemacht werden kann, wie nun der Bundesgerichtshof entschied. Die Minderung und der Kostenvorschussanspruch sollen sich vielmehr gegenseitig ergänzen. Dabei ist es auch nicht relevant, ob der Wert des Werks überhaupt gemindert ist. Daher durfte das Ehepaar des vorliegenden Falles von dem beklagten Bauunternehmen den Vorschuss für die Kosten der Mängelbeseitigung verlangen, obwohl es zuvor eine Minderung erklärt hatte.

Michael Derix
Anwalt für Privates Bau- und Architektenrecht

Auf unserer Homepage finden Sie die Schwerpunkte unserer Rechtsanwälte in Bonn.

Ihre Meinung interessiert uns!

Hinterlassen Sie uns ihr Feedback und diskutieren Sie mit uns über aktuelle wirtschaftsrechtliche Fälle aus den Bereichen Arbeitsrecht, Medizinrecht, Marken- und Designrecht sowie weiteren Themen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen.

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.