Bundessozialgericht, Urteil vom 26.09.2024 – B 2 U 14/22 R
Hintergrund
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der bei der Firma B. angestellt ist, die wiederum zu einer europaweit tätigen Unternehmensgruppe mit mehr als 11.000 Mitarbeitern gehört. Zu der Unternehmensgruppe zählen 115 deutsche Niederlassungen mit 6.150 Beschäftigten.
Jährlich wird ein Fußballturnier zwischen Mitarbeitern am Ort der Niederlassung der Firma B. organisiert, an dem deren Mitarbeiter in Form von Mannschaften teilnehmen, so auch der Kläger. Bei einem Spiel des „21. Internationalen B. Fußballturniers“ verdrehte sich der Kläger das rechte Knie. An diesem Turnier nahmen 80 Unternehmensangehörige teil, es wurde darüber in der Presse berichtet, alle Mitarbeiter des Unternehmens wurden eingeladen und letzteres fungierte als Hauptsponsor der Veranstaltung.
Der Kläger war der Ansicht, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelte, die beklagte Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik war gegenteiliger Ansicht. Als Begründung führte der Kläger an, dass das Fußballturnier zu Werbezwecken veranstaltet worden, eine Anwesenheit der Mitarbeiter intern gewünscht und gefördert und die Veranstaltung im Intranet der Firma beworben worden wäre. Die Unternehmensleitung wäre ebenfalls bei dem Turnier anwesend gewesen, es hätte Pokale mit einem Unternehmensaufdruck gegeben und ein Spendenscheck sei gegen Ende der Veranstaltung überreicht worden.
Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Entschädigung aufgrund des Vorliegens eines Arbeitsunfalls ab und verwies darauf, dass der Kläger bei dem Turnier weder seiner Beschäftigung nachgegangen sei, noch das Turnier als Betriebssport, als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung oder als Werbeveranstaltung angesehen werden könne.
Das erstinstanzlich befasste Sozialgericht Duisburg und das in der Berufungsinstanz befasste Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen wiesen die Klage ab. Daraufhin legte der Kläger Revision vor dem Bundessozialgericht ein, hatte jedoch auch hier keinen Erfolg.
Gründe
Das Bundessozialgericht schloss sich der Ansicht der beiden Vorinstanzen dahingehend an, dass es sich bei dem Unfall des Klägers nicht um einen Arbeitsunfall handelte. Der Kläger erfüllte bei der Teilnahme an dem Fußballturnier keine aufgrund des Arbeitsverhältnisses geschuldete Haupt- oder Nebenpflicht. Es handelte sich auch nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung oder um Betriebssport, da einerseits der Wettkampfcharakter dieser Veranstaltung vorrangig war und sich die Veranstaltung ohnehin lediglich an die fußballinteressierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Firma richtete.
Auch der Aspekt, dass eine Veranstaltung der Werbung dienen kann, etwa weil die Veranstaltung durch den Betrieb unterstützt und in der Presse thematisiert wird, begründet für sich genommen noch keinen betrieblichen Unfallversicherungsschutz. Dafür müsste die Veranstaltung im Gegenteil zielgerichtet als Werbeplattform genutzt werden, es genüge nicht, wenn eine nachträgliche Berichterstattung in der Presse Nebeneffekte der Werbung mit sich bringt. Wird die Veranstaltung also nicht primär aus Werbegesichtspunkten veranstaltet und dementsprechend in der Öffentlichkeit angepriesen, so stellen etwaige Werbeeffekte nur einen rechtlich unwesentlichen Reflex dar.
Die Tatsache, dass die Firma das Turnier finanziell unterstützte, rechtfertigt ebenfalls keine andere rechtliche Bewertung, da dies lediglich der Mitarbeitermotivation dienen sollte. Daher scheiterte der Kläger mit seinem Begehren, eine Entschädigung aufgrund des Vorliegens eines Arbeitsunfalls zu erhalten.
Bewertung
Ein Arbeitsunfall liegt gemäß § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) vor, wenn es infolge einer versicherten Tätigkeit zu einem Unfall kommt, wobei ein Unfall als ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt, definiert wird. Als versicherte Tätigkeiten gelten solche, die unter §§ 2, 3 oder 6 SGB VII fallen.
Insbesondere muss ein innerer und sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen dem Unfall und der Arbeitserbringung bestehen. Dies wird etwa für das Zurücklegen des unmittelbaren Weges zu oder von der Arbeit, bei einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung oder beim Betriebssport bejaht.
Bei einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung handelt es sich um Veranstaltungen, die im Interesse des Arbeitgebers sind und zu einem betrieblichen Zweck veranstaltet werden, insbesondere, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Arbeitnehmer untereinander zu stärken. Das Bundessozialgericht hat bereits in der Vergangenheit (Urteil vom 28.06.2022, B 2 U 8/20 R) entschieden, dass bei einer rein sportlichen Veranstaltung, an der lediglich ein nicht erheblicher Teil der Beschäftigten teilnimmt und für die kein seitens des Unternehmens verbindliches Programm vorgegeben wird, keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorliegt.
Dem gegenüber handelt es sich bei einer Veranstaltung um Betriebssport, wenn dieser zielgerichtet aufgrund eines inneren Zusammenhangs zu dem Beschäftigungsverhältnis veranstaltet wird, etwa um etwaige berufliche Belastungen auszugleichen oder der Erfüllung der arbeitnehmerischen Pflichten zu dienen.
Der Kläger war jedoch vorliegend als Kommissionierer bei dem Unternehmen tätig, er erfüllte durch die Teilnahme an dem Fußballturnier keine seiner Beschäftigungspflichten und die Teilnahme stand auch sonst nicht in einem inneren Zusammenhang zu seiner Tätigkeit, weshalb das Bundessozialgericht konsequenterweise das Vorliegen eines Arbeitsunfalls verneinte.
Hagen Albus
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.