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Medizinrecht: Ansprüche aus Tierhalterhaftung bei eigenem Verschulden

Landgericht Köln, Urteil vom 10.07.2024 – 2 O 207/23

Hintergrund

Die Klägerin ist die Halterin eines Hundes, die bei einem gemeinsamen Spaziergang mit der Beklagten und deren Hund von diesem verletzt wurde, weshalb sich das Landgericht Köln vorliegend mit der Frage eines Anspruchs aufgrund einer sogenannten Tierhalterhaftung im Falle eines eigenen Verschuldens bzw. der mitwirkenden Gefahr des eigenen Hundes auseinanderzusetzen hatte.

Im Rahmen einer Spazierrunde, welche die Klägerin und die Beklagte bereits mehrfach mit ihren Hunden gemeinsam zurückgelegt hatten, kam es zu einem Zusammenprall zwischen der Klägerin und dem Hund der Beklagten. Nachdem beide Hunde zunächst, ohne angeleint zu sein, frei herumliefen, kehrte zunächst der Hund der Klägerin zu den Parteien zurück und lief an diesen vorbei. Kurze Zeit später lief auch der Hund der Beklagten zurück, rannte dabei auf die Beklagte zu, die durch einen Schritt zur Seite ausweichen konnte, jedoch änderte der Hund seine Richtung nicht und prallte mit hoher Geschwindigkeit gegen das linke Bein der Klägerin, sodass diese eine Fraktur des Tibiakopfes erlitt.

Die Klägerin machte geltend, sie habe den Hund nicht kommen sehen. Es hätte zwischen der Rückkehr ihres Hundes und der Rückkehr des Hundes der Beklagten ein gewisser zeitlicher und räumlicher Abstand von mindestens einer Minute und 20 Metern bestanden, die Hunde hätten also zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gemeinsam gespielt. Sie begehrte daher vor dem Landgericht Köln klageweise Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000 € und den Ersatz des Haushaltsführungsschadens.

Die Beklagte war dabei anderer Ansicht und wandte ein, dass sich beide Hunde noch im Spiel miteinander befunden hätten und ihr Hund den Hund der Klägerin verfolgt habe. Daher habe sich die Tiergefahr beider Hunde realisiert, außerdem sei ein Mitverschulden der Klägerin anzunehmen, da die Hunde beide nicht angeleint waren und daher eine besondere Aufmerksamkeit geboten war.

Gründe

Das Landgericht Köln verneinte einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Schmerzensgeldes und den Ersatz für ihren Ausfall in der Haushaltsführung. Ein solcher Anspruch könnte sich entweder aus der sogenannten Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder aus der sogenannten unerlaubten Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB ergeben.

Grundsätzlich hat sich in der Kollision die Tiergefahr des Hundes der Beklagten realisiert, für die die Beklagte als Halterin des Hundes einzustehen hat. Einen etwaigen stillschweigend zwischen den Parteien vereinbarten Haftungsausschluss oder einen Ausschluss der Haftung aufgrund eines Handelns auf eigene Gefahr lehnte das Landgericht Köln ab, da die Klägerin keine Möglichkeiten hatte, während des Spaziergangs auf den Hund der Beklagten einzuwirken und sie im Rahmen des gemeinsamen Spaziergangs auch keine bewusst ungewöhnlichen Risiken übernommen hatte.

Jedoch muss sich die Klägerin zum einen ihr eigenes Verschulden und zum anderen die Tiergefahr ihres eigenen Hundes anrechnen lassen. Insbesondere wenn ein unberechenbares und selbstständiges Verhalten eines Tieres zu der Schadensentstehung beigetragen hat, liegt eine Verwirklichung der typischen Tiergefahr vor. Auch durch eine Auswirkung von Reizen eines Tieres auf ein anderes Tier kann sich eine Tiergefahr realisieren. Dass der Hund der Beklagten vorliegend dem Hund der Klägerin nachgelaufen ist, genügt dafür – es ist nicht ausschlaggebend, ob sich die Hunde zu diesem Zeitpunkt noch miteinander im Spiel befunden haben. Der Umstand, dass der Hund der Beklagten, als er mit der Klägerin kollidierte, dem Hand der Klägerin folgte und daher keine Rücksicht auf die Klägerin nahm, entspringt gerade der Tiergefahr eines Hundes.

Darüber hinaus muss sich die Klägerin auch ihr eigenes Verschulden – begründet in der Tatsache, dass die beiden Hunde ohne Leine auf einem teils zugewachsenen und recht schmalen Weg frei liefen – entgegenhalten lassen. Als der Hund der Klägerin zurückkehrte, hätte diese auch mit einer baldigen Rückkehr des Hundes der Beklagten rechnen und sich dementsprechend vorsichtig verhalten müssen. Die Beklagte habe außerdem nicht schuldhaft reagiert, indem sie selber ihrem Hund auswich.

Bewertung

Ein Anspruch aus der sogenannten Tierhalterhaftung kann sich aus § 833 S. 1 BGB ergeben und besteht, wenn durch ein Tier eine Gesundheits- oder Körperverletzung oder eine Sachbeschädigung entsteht. Der Tierhalter hat dabei verschuldensunabhängig, also auch, wenn ihm weder Vorsatz, noch Fahrlässigkeit anzulasten sind, für die durch sein Tier verursachten Schäden einzustehen. Dabei soll vor allem vor der einem Tier innewohnenden Unberechenbarkeit und Selbstständigkeit geschützt werden. Es muss sich daher bei dem schädigenden Ereignis gerade die spezifische Tiergefahr verwirklicht haben. Dies war grundsätzlich bei dem vorliegenden Zusammenstoß der Fall. Die Verwirklichung einer Tiergefahr wird dahingehend etwa verneint, wenn ein Tier der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt und beispielsweise lediglich Befehle ausführt.

Dem Grunde nach bestand daher ein Anspruch der Klägerin. Der Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz wird jedoch gekürzt oder kann gänzlich ausgeschlossen sein, wenn dem Geschädigten selbst ein Verschulden, also ein irgendwie geartetes vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten als ein sogenanntes „Verschulden gegen sich selbst“, vorzuwerfen ist. Dabei ist der Klägerin vorliegend nicht nur die Tiergefahr ihres eigenen Hundes, die sich ebenfalls in dem Unfall realisiert hat, sondern auch ihr eigenes fahrlässiges Verhalten, da sie die Hunde frei herumlaufen ließ und angesichts der Umstände nicht genügend Vorsicht walten ließ, anzulasten. Daher hat das Landgericht Köln konsequenterweise einen Anspruch verneint.

Lisa Lang
Anwältin für Medizinrecht

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