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Versicherungsrecht: Unwirksame Ausschlussklausel einer Auslandsreisekrankenversicherung

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2024 – IV ZR 129/23

Hintergrund

Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich vorliegend mit der Frage der Transparenz einer Versicherungsklausel einer Auslandsreisekrankenversicherung, die Versicherungsleistungen im Falle eines bereits „vorher bekannten medizinischen Zustands“ ausschließt. Der Versicherungsnehmer war ein Mann, der bei der klagenden Versicherung eine Auslandskrankenschutzversicherung abgeschlossen hatte.

Die Versicherungsbedingungen der Klägerin statuierten, dass im Falle eines Schadens vorrangig anderweitig bestehende Versicherungsansprüche in Anspruch genommen werden müssten und erst nachrangig auf die Versicherungsleistungen der klagenden Versicherung zurückgegriffen werden könne. Der Versicherungsnehmer hielt nicht nur bei der Klägerin, sondern auch über die Kreditkarte einer Bank eine weitere Auslandskrankenschutzversicherung inne. Bei dieser Versicherung handelt es sich um die Beklagte.

Im November 2018 flog der Versicherungsnehmer nach Miami und wurde dort aufgrund einer Vorerkrankung an Diabetes Mellitus Typ 2 zwischen dem 6.12.2018 und dem 10.12.2018 stationär behandelt. Die klagende Versicherung übernahm die Kosten der Behandlung und des Transports in Höhe von insgesamt 34.541 € und begehrte nun die Zahlung der hälftigen Summe durch die beklagte Versicherung.

Die beklagte Versicherung verwies jedoch auf eine Klausel in ihren Versicherungsbedingungen, wonach keine Leistungspflicht besteht bei einem „bereits vorher bekannten medizinischen Zustand, der der versicherten Person bekannt war, als sie die Kreditkarte beantragte, bzw. bei der Buchung der Reise“. Da die Diabeteserkrankung des Versicherungsnehmers bereits bei der Buchung der Reise bekannt war, sei ihre Leistungspflicht daher ausgeschlossen. Darüber hinaus beinhaltete auch der Versicherungsvertrag bei der beklagten Versicherung eine Subsidiaritätsklausel, wonach eine Eintrittspflicht des Versicherers entfällt, wenn ein anderer Versicherer leistungspflichtig ist.

Daraufhin wandte sich die klagende Versicherung mit einer Klage gerichtet auf Zahlung von 17.270 € an das Landgericht Köln und hatte erstinstanzlich Erfolg. Auch in der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht Köln unterlag die Beklagte. Diese legte daraufhin Revision vor dem Bundesgerichtshof ein.

Gründe

Der Bundesgerichtshof behandelte vor allem die Frage der Transparenz der Ausschlussklausel des Versicherungsvertrages und entschied letztlich, dass die beklagte Versicherung die Hälfte der Behandlungs- und Transportkosten zu tragen habe. Die Tatsache, dass beide Versicherungsverträge eine Subsidiaritätsklausel im Falle der Leistungspflicht anderer Versicherungen enthielten, stünde dem nicht entgegen, da der Versicherungsnehmer nicht schutzlos gestellt werden solle – vielmehr würden sich diese Klauseln gegenseitig aufheben.

Die Ausschlussklausel im Falle eines „bereits vorher bekannten medizinischen Zustands“ sei nach Ansicht des Bundesgerichtshofs unwirksam, da sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstoße. Dieses besagt, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen klar und durchschaubar formuliert sein müssen und für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich sein müssen. Dabei ist als Maßstab die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers anzulegen. Dem Versicherungsnehmer muss daher bei einer solchen Ausschlussklausel ersichtlich sein, welche Nachteile für ihn mit dieser Klausel verbunden sind, sodass er den verbleibenden Umfang des Versicherungsschutzes einschätzen kann.

Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist jedoch nicht ersichtlich, wann bei der Verwendung einer solchen vage formulierten Ausschlussklausel die Versicherung noch greift und wann sie ausgeschlossen ist. Die von der Ausschlussklausel erfassten Krankheiten wurden nicht benannt, es wurden auch keine Kriterien hinsichtlich Dauer und Schwere der Erkrankung aufgestellt oder, ob diese chronisch diagnostiziert sein muss.

Die Ausschlussklausel ist daher nicht transparent und somit unwirksam. Daher bejahte der Bundesgerichtshof eine Zahlungspflicht der beklagten Versicherung.

Bewertung

Der Bundesgerichtshof hat in dieser Leitsatzentscheidung festgesetzt, dass der Umfang der bestehenden Versicherungsleistung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch im Falle von Klauseln, die eine Versicherungspflicht in bestimmten Fällen ausschließen, erkennbar sein muss. Schließt eine Auslandskrankenschutzversicherung eine Ersatzfähigkeit von Kosten, die aufgrund eines bereits bekannten medizinischen Zustands entstehen, aus, so genügt dies nicht den Transparenzanforderungen.

Die beklagte Versicherung hatte zwar vorliegend in ihren Klauseln einzelne Beispielsfälle genannt, in denen die Leistungspflicht entfallen sollte, jedoch war für den Versicherten nicht erkennbar, was genau von einem solchen „medizinischen Zustand“ erfasst ist. Vielmehr war es für den Versicherungsnehmer nicht möglich einzuschätzen, in welchem Umfang der Versicherungsschutz ausgeschlossen sein würde. So konnte die Klausel einerseits dahingehend verstanden werden, dass eine Leistungspflicht lediglich im Falle der Behandlung der Vorerkrankung an sich im Ausland nicht besteht oder dahingehend, dass der Ausschluss auch bei der Behandlung von anderweitigen auftretenden Krankheiten, die lediglich durch die Vorerkrankung verursacht wurden, besteht.

Konstantin Theodoridis
Anwalt für Versicherungsrecht

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