
Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2024, B 2 U 3/22 R, Pressemitteilung Nr. 18 vom 27.06.2024
Hintergrund
Die Beteiligten dieses Falles streiten über das Bestehen eines Unfallversicherungsschutzes seitens der beklagten Berufsgenossenschaft im Falle von Nachwirkungen einer Impfung. Geklagt hatte ein Krankenhauskoch, welcher eine von der Krankenhausverwaltung organisierte Impfung gegen Schweinegrippe (Influenza A/H1N1) verabreicht bekommen hatte.
Als Krankenhauskoch war der Kläger als Mitarbeiter einer Catering GmbH in der Krankenhausküche tätig. Im Nachgang zu der Impfung gegen Schweinegrippe entwickelte der Kläger einige Jahre später Fieberschübe, welche er auf die Impfung zurückführte.
Die Teilnahme an der Impfung wurde den Mitarbeitern freigestellt, die Krankenhausverwaltung hatte die Catering GmbH gebeten, mitzuteilen, welche ihrer Mitarbeiter an der organisierten, seitens des Gesundheitsamts kostenlos bereitgestellten Impfung teilzunehmen beabsichtigten. Das Angebot der kostenlosen Impfung sollte dabei allen Mitarbeitern mit Patientenkontakt offenstehen, eine Pflicht zur Durchführung der Impfung seitens des Arbeitgebers bestand jedoch nicht.
Der Kläger begehrte von der beklagten Berufsgenossenschaft die Feststellung, dass es sich bei der Impfung um einen Arbeitsunfall handelte. Diese Auffassung teilte die Berufsgenossenschaft jedoch nicht, vielmehr war sie der Ansicht, dass es sich bei der Impfung um eine nicht versicherungspflichtige Tätigkeit handelte, sondern um eine Maßnahme zur Erhaltung der Gesundheit. Somit würde kein Unfallversicherungsschutz bestehen.
Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls beurteilt sich nach § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), wonach zu den Arbeitsunfällen solche Ereignisse zählen, die zeitlich begrenzt sind, von außen auf den Körper einwirken, zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen und infolge einer versicherten Tätigkeit erfolgen. Fraglich war daher, ob es sich bei der Impfung um ein Ereignis, welches infolge der versicherten Tätigkeit erfolgte, handelte.
Sowohl das erstinstanzlich befasste Sozialgericht Koblenz als auch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz schlossen sich der Ansicht der Beklagten an und verneinten das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Dass der Kläger davon ausging, mit der Impfung betrieblichen Interessen zu dienen, sei lediglich eine subjektive Vorstellung und reiche nicht aus, eine Versicherungspflicht zu begründen.
Daraufhin wandte der Kläger sich an das Bundessozialgericht und rügte mit einer Revision, dass entgegen der Ansichten der vorangegangenen Instanzen eine Verletzung von § 8 Abs. 1 SGB VII vorliegen würde, da es sich um arbeitsrechtliche Nebenpflichten gehandelt habe. Seitens des Arbeitgebers eine Impfung anzubieten und dieses Angebot seitens des Arbeitnehmers wahrzunehmen, sei eine solche Nebenpflicht gewesen, und es habe ein gewisser Druck bestanden, zur Erfüllung einer Vorbildfunktion für andere Angestellte diese Pflicht zu erfüllen.
Gründe
Das Bundessozialgericht schloss sich der Ansicht des Klägers an und lehnte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht ab, da auch eine planmäßig und auf freiwilliger Basis durchgeführte Impfung ein Unfallereignis darstellen kann, wenn diese zu einem Gesundheitsschaden führt. Damit ein Arbeitsunfall bejaht werden kann, muss ein innerer Zusammenhang der konkreten Impfung zu der versicherungspflichtigen Tätigkeit bestehen.
Einen solchen inneren Zusammenhang bejahte das Bundessozialgericht nicht schon aufgrund des Umstandes, dass die Impfung kostenlos durch den Arbeitgeber bereitgestellt worden war, außerdem empfohlen und im Betrieb durchgeführt wurde. Dient die Impfung jedoch darüber hinaus auch der Umsetzung wesentlicher betrieblicher Zwecke, so kann ein innerer Zusammenhang bejaht werden. Insbesondere im Arbeitskontext eines Krankenhauses dient eine Schutzimpfung dem wesentlichen betrieblichen Zweck, einen möglichst hohen Gesundheitsschutz für die Patienten und Angestellte zu gewährleisten. Somit ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalles nicht ausgeschlossen.
Bewertung
Das Verfahren wurde nun vom Bundessozialgericht zurück an das Landessozialgericht verwiesen, da dieses noch weitere tatsächliche Feststellungen hinsichtlich besonderer Umstände, die das Vorliegen eines Arbeitsunfalles bestätigen, einholen muss. Grundsätzlich kann jedoch ein innerer Zusammenhang einer Impfung zur versicherten Tätigkeit im Betrieb auch dann bejaht werden, wenn der Arbeitgeber keine Impfpflicht angeordnet hat.
Maßgebende Kriterien sind dafür etwa eine entsprechende Empfehlung der Ständigen Impfkommission aufgrund der konkreten Art der Tätigkeit, ob die Kosten der Impfung vom Arbeitgeber getragen wurden und der Ort der Impfung. Dabei sind stets die Einzelfälle zu betrachten, so hat etwa das Verwaltungsgericht Mainz im Mai 2023 entschieden, dass ein Gesundheitsschaden einer Lehrerin, welche sich in einem Gesundheitszentrum gegen Corona impfen ließ, keinen Dienstunfall darstellte, da diese Impfung nicht in Ausübung des Dienstes erfolgte.
Konstantin Theodoridis
Fachanwalt für Sozialrecht
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