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Reiserecht: Ausgleichszahlung bei Flugverspätung aufgrund mangelnden Flughafenpersonals

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 16.05.2024 – C 405/23, Pressemitteilung Nr. 86/2024 vom 16.05.2024

Hintergrund

Vorliegend kam es bei einem am 04.07.2021 durchgeführten Flug vom Flughafen Köln-Bonn zu der griechischen Insel Kos zu einer Flugverspätung von drei Stunden und 49 Minuten. Diese Verspätung war auf mehrere Umstände zurückzuführen, zunächst, da bereits der Vorflug eine Verspätung von einer Stunde und 17 Minuten hatte, was an mangelndem Check-In-Personal lag.

Eine weitere Verspätung von zwei Stunden und 13 Minuten wurde durch eine Verzögerung bei der Gepäckverladung des Flugzeugs verursacht, die ebenfalls auf mangelndes Bodenpersonal am Flughafen zurückzuführen war. Letztlich kamen noch 19 Minuten Verspätung aufgrund einer nach Schließung der Flugzeugtüren eingetretenen Wetterverschlechterung hinzu.

Mehrere Passagiere dieses Fluges traten ihre in Zusammenhang mit diesem Flug stehenden Ausgleichsansprüche an Flightright ab, die wiederum vor dem Amtsgericht Köln gegen die ausführende Fluggesellschaft TAS Klage auf Zahlung von diesen Ansprüchen erhob. Dabei machte Flightright geltend, dass sich TAS nicht auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die eine Verspätung des Fluges rechtfertigen würden, berufen könne und die Verspätung der Fluggesellschaft zuzurechnen sei.

Auslegungsbedürftig ist vorliegend die unionsrechtliche Fluggastrechte-Verordnung, nach der Fluggästen im Falle einer Verspätung des Fluges ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung gegenüber der Fluggesellschaft zustehen kann. Dabei ist ein solcher Anspruch ausgeschlossen, wenn die Fluggesellschaft Gründe geltend machen und nachweisen kann, die sogenannte „außergewöhnliche Umstände“ darstellen und Grund für die Verspätung des Fluges sind. Dabei ist notwendig, dass diese Umstände auch nicht vermeidbar gewesen wären, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Das Amtsgericht Köln gab der Klage statt, die TAS wandte sich dagegen im Wege einer Berufung an das Landgericht Köln. Dieses wiederum war der Ansicht, dass die Frage, ob der Personalmangel bei dem Flughafenbetreiber ein aus Sicht der TAS als Rechtfertigung vorzubringender außergewöhnlicher Umstand sei kann, nicht hinreichend geklärt wurde. Diese Frage legte das Landgericht Köln daher dem Europäischen Gerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vor.

Gründe

Der Europäische Gerichtshof hat das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im Falle eines Personalmangels bei dem Flughafenbetreiber, dem die Aufgabe der Gepäckverladung zukommt, bejaht. Als außergewöhnliche Umstände gelten Geschehnisse, die nach der Natur ihrer Sache nach oder hinsichtlich ihrer Ursache nicht in den Aufgabenbereich des betroffenen Luftfahrtunternehmens fallen. Die Umstände müssen außerdem auch in tatsächlicher Hinsicht dem Macht- und Beherrschungsbereich des Luftfahrtunternehmens entzogen sein.

Der Europäische Gerichtshof entschied zwar nicht eindeutig, ob der Personalmangel eines Flughafenbetreibers ein solcher Umstand sein kann, sondern gab es dem Landgericht Köln auf, diese Frage selber zu entscheiden. Dabei ist maßgeblich, ob es sich bei dem Personalmangel um einen allgemeinen Mangel handelt, der nicht der Ausübung der Tätigkeit der TAS unterfällt und ob die TAS den Personalmangel tatsächlich nicht beherrschen konnte. Allgemeine Mängel können nicht Teil der normalen Tätigkeitsausübung der Fluggesellschaft sein. Letztlich ist seitens des Landgerichts Köln nun zu klären, ob die TAS den Personalmangel hätte beheben können, etwa indem sie Kontrolle über den Betreiber des Flughafens hätte ausüben können.

Zwar war im Ausgangsfall nicht lediglich der Personalmangel ausschlaggebend für die Verspätung des Fluges, jedoch bezog sich die Vorlagefrage lediglich auf die Charakterisierung des Personalmangels als außergewöhnlichen Umstand. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat dies nun zumindest nicht ausgeschlossen.

Bewertung

Ein Anspruch auf ein Ausgleichsentschädigung besteht nicht nur im Falle einer Annullierung des gebuchten Fluges, sondern auch, wenn wegen eines verspäteten Fluges ein Zeitverlust von mindestens drei Stunden erfolgt. Maßgeblich ist dabei die Verspätung bei der Ankunft am Zielflughafen. In einem solchen Fall kann dem Fluggast aufgrund der europäischen Fluggastrechte-Verordnung ein Ausgleichsanspruch gemäß Art. 7 der Richtlinie zustehen, der zwischen 250 € und 600 € variiert.

Die Fluggesellschaft kann sich jedoch von einem solchen Anspruch befreien, indem sie beweist, dass die eingetretene Verspätung auf Umstände zurückzuführen war, die außergewöhnlich und nicht von der Fluggesellschaft beherrschbar und vermeidbar waren. Ein solcher Umstand könnte etwa sein, dass der Flughafenbetreiber zu wenig Bodenpersonal für die Verladung von Gepäckstücken zur Verfügung stellen kann und es infolgedessen zu Verzögerungen am Flughafen kommt.

Ob dieser Umstand tatsächlich ein „außergewöhnlicher Umstand“ ist, hat nun das Landgericht Köln unter Zugrundelegung der Ansicht des Europäischen Gerichtshofs zu entscheiden. In der Vergangenheit entschied der Europäische Gerichtshof bereits in einem anderen Verfahren, dass bezüglich einer Verspätung aufgrund von Fehlern bei dem Betanken eines Flugzeugs mit Treibstoff am Flughafen ein solcher Umstand vorlag, der der Fluggesellschaft nicht zugerechnet werden konnte.

Matthias Gollor
Anwalt für Reiserecht

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