Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2024 – 1 UF 160/23, Pressemitteilung Nr. 19/2024 vom 15.04.2024
Hintergrund
Die Eheleute des vorliegenden Falles sind seit dem Jahre 2014 verheiratet und haben drei noch minderjährige Kinder, die in den Jahren 2015, 2017 und 2019 zur Welt gekommen sind. Im Jahr 2021 trennten sich die Eheleute, strittig ist vorliegend der Zeitpunkt der wechselseitigen Auskunftsverpflichtung zum Trennungsvermögen im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung des Ehepaares.
Nachdem die Eheleute zunächst getrennte Schlafzimmer nutzten, zog der Vater in das Untergeschoss des Hauses und nutzte das dort befindliche Badezimmer, während die Mutter das Badezimmer des Obergeschosses und das dort befindliche ehemalige eheliche Schlafzimmer mit den Kindern nutzte. Das Ehepaar führte keine intime Beziehung mehr und aß nur gelegentlich mit den Kindern gemeinsam. Beide Eheleute gingen sich jedoch hilfsweise zur Hand, indem sie etwa Einkäufe oder andere Besorgungen füreinander erledigten. Beide gingen noch freundschaftlich miteinander um und wohnten den Kindern zuliebe weiterhin in demselben Haus.
Gemäß § 1379 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann jeder Ehegatte vom anderen Ehegatten Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangen. Die Auskunftsverpflichtung über das Trennungsvermögen soll den einen Ehegatten davor schützen, dass der andere Ehegatte im Zeitraum der Trennung vermögensschädigende Dispositionen trifft, um die Berechnung eines etwaigen Zugewinnanspruchs zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Als die Eheleute wechselseitig ihre Anträge auf Auskunft des Vermögens zum Zeitpunkt der Trennung stellten, gab der Ehemann einen späteren Trennungszeitpunkt an als die Ehefrau.
Während die Ehefrau als Trennungszeitpunkt den 20.01.2021 angab, der Tag, an dem sie ihrem Ehemann per Mail mitteilte, es sei wohl besser, wenn sie sich trennen würden, gab der Ehemann als Trennungszeitpunkt den 09.03.2021 an, der Tag, an dem die Ehefrau aus dem gemeinsamen Haus auszog.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main legte den vom Ehemann genannten späteren Zeitpunkt zugrunde, wogegen sich die Ehefrau mit einer Beschwerde an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wandte. Dieses gab ihr Recht.
Gründe
Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main statuiert, dass für eine Trennung keine vollkommene räumliche Trennung notwendig ist. Eine Trennung kann vielmehr bereits vorliegen, obschon ein Ehegatte noch nicht aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen ist, aber nachweislich keine häusliche Gemeinschaft mehr zwischen den Eheleuten besteht.
Eine Trennung liegt in dem Moment vor, in dem die entsprechenden objektiven und subjektiven Voraussetzungen gegeben sind. Objektiv darf keine häusliche Gemeinschaft mehr bestehen, was der Fall ist, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben, also ihr alltägliches Leben getrennt führen und getrennt schlafen, keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen und keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestehen. In subjektiver Hinsicht muss zumindest ein Ehegatte diese häusliche Gemeinschaft auch nicht mehr herstellen wollen.
Es schadet jedoch nicht, so das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, wenn einzelne, unwesentliche Gemeinsamkeiten verbleiben, wie etwa das Erbringen einzelner gegenseitiger Versorgungsleistungen. Besteht zwischen den Ehegatten insbesondere mit Rücksicht auf gemeinsame Kinder noch ein freundschaftlicher und höflicher Umgang, so steht dies dem Vorliegen einer Trennung nicht entgegen, da die Eltern auch über das Bestehen ihrer Ehe hinaus dem Wohl ihrer Kinder verpflichtet sind.
Daher hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bejaht, dass eine Trennung im vorliegenden Fall bereits ab dem Zeitpunkt, zu dem der Ehemann das Bade- und Schlafzimmer im Keller nutzte, gegeben war.
Bewertung
Den Zeitpunkt der Trennung zu bestimmen, ist im Rahmen eines Scheidungsverfahrens wichtig, um das Endvermögen im Falle eines Zugewinnausgleichs zu bestimmen und dementsprechend den Zugewinn zu berechnen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat nun bestimmt, dass eine Trennung auch dann schon vorliegen kann, wenn die Ehegatten noch im gemeinsamen Haus, aber dennoch innerhalb dieses Hauses getrennt wohnen. Dabei muss die räumliche Trennung dem höchstmöglichen Maß gemäß der räumlichen Situation des Hauses oder der Wohnung entsprechen.
Werden weiterhin gemeinsame Mahlzeiten eingenommen und einzelne Hilfsarbeiten aus Höflichkeit und vor allem mit Rücksicht auf gemeinsame Kinder vorgenommen, so steht auch dies der Annahme einer Trennung nicht im Wege. Maßgeblich ist vielmehr, ob noch eine persönliche Beziehung zwischen den Ehegatten besteht – ein anständiger und vernünftiger Umgang miteinander kann jedoch auch im Fall einer Trennung noch weiter bestehen.
Julia Wulf
Anwältin für Familienrecht
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