Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.03.2024 – VI ZR 283/21
Hintergrund
Dem vorliegenden Fall lag ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln zugrunde, welches die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers teilweise bejahte, obwohl entgegenstehende Befunde vorlagen. Der Bundesgerichtshof sah darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, denn vielmehr hätte das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen müssen, da zu der Beurteilung dieser Frage Fachwissen vorausgesetzt sei.
Geklagt hatte vorliegend die Dienstherrin eines städtischen Feuerwehrbeamten, der im Zuge eines Verkehrsunfalls im Jahr 2009 diverse Knochenbrüche erlitt und aufgrund von Dienstunfähigkeit im April 2012 in den Ruhestand versetzt wurde. Die Klägerin begehrte von den unstrittig haftenden Schädigern des Verkehrsunfalls die Erstattung der Verdienstausfallkosten, also der gezahlten Gehälter und Versorgungsbezüge für den Zeitraum von April 2011 bis Dezember 2016.
Das erstinstanzlich befasste Landgericht Aachen gab der Klage vollumfänglich statt, im Rahmen der dagegen gerichteten Berufung der Beklagten änderte das Oberlandesgericht Köln das Urteil ab und gestand der Klägerin lediglich einen deutlich geringeren Erstattungsbetrag zu und zwar lediglich für den Zeitraum von April 2011 bis Ende August 2012.
Das Oberlandesgericht hatte die Klage zum Teil abgewiesen, da der Klägerin die Verletzung der dem Geschädigten obliegenden Schadensminderungsobliegenheit entgegengehalten werden könne. Der geschädigte Arbeitnehmer war zwar unstrittig nicht mehr als Feuerwehrbeamter dienstfähig, jedoch hätte der Feuerwehrbeamte ab September 2012 wieder einer Tätigkeit anderer Art nachgehen und somit den entstandenen Erwerbsschaden mindern können.
Der Feuerwehrbeamte sei gegenüber seinen Schädigern verpflichtet, den entstehenden Schaden so gering wie möglich zu halten, indem er seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des ihm Zumutbaren weiterhin einsetze und Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit nachgehe. Das Oberlandesgericht Köln bemängelte, dass die Dienstherrin des Feuerwehrbeamten nicht nachgewiesen habe, dass der ehemalige Feuerwehrbeamte sich um anderweitige Arbeitsmöglichkeiten bemüht habe.
Dabei führte das Oberlandesgericht Köln an, dass der Geschädigte im Nachgang seines Unfalls noch diversen kleineren Tätigkeiten nachging und nicht nachzuvollziehen sei, wieso er diese nicht in Vollzeit ausgeübt habe. Die Klägerin wandte sich dagegen nun an den Bundesgerichtshof.
Gründe
Der Bundesgerichtshof sah die Klägerin in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt, da das Oberlandesgericht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet habe, was nur möglich sei, wenn das Gericht selber über eine eigene besondere Sachkunde verfüge.
Es trifft zu, dass den Geschädigten eines Unfalls eine Schadensminderungsobliegenheit trifft und im Falle einer Gesundheitsbeeinträchtigung, welche die Arbeitsfähigkeit des Geschädigten einschränkt, dieser seine verbleibende Arbeitskraft so gut wie möglich zu Erwerbszwecken einsetzen müsse – in den Grenzen dessen, was ihm zumutbar ist.
Dazu müsste der Kläger jedoch trotz der Gesundheitsschädigung noch oder wieder arbeitsfähig sein. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts war dies der Fall. Dabei lagen dem Gericht Befunde des Hausarztes und der Psychotherapeutin des Feuerwehrmanns vor, aus denen sich dessen Erwerbsunfähigkeit ergab – das Oberlandesgericht Köln teilte die Ansicht dieser Ärzte jedoch nicht.
Dies war rechtlich nicht zulässig, vielmehr hätte das Oberlandesgericht ein Sachverständigengutachten anfordern müssen, um die Arbeitsunfähigkeit des Geschädigten zu beurteilen, anstatt der Entscheidung die eigene medizinische Sachkunde des Gerichts zugrunde zu legen.
Bewertung
Der Bundesgerichtshof hat eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, welches in Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz niedergeschrieben ist, bejaht und das Verfahren an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen, welches nun ein Sachverständigengutachten einholen muss.
Zwar besteht grundsätzlich die Pflicht, den im Nachgang eines Verkehrsunfalls entstehenden Schaden gering zu halten, was auch den Verdienstausfallschaden betrifft – kann man also aufgrund eines Unfalles der eigenen beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen, so ist man verpflichtet, sich um eine zumutbare andere Möglichkeit des Erwerbs zu bemühen. Dies setzt jedoch voraus, dass man im Nachgang des Unfalls überhaupt noch erwerbsfähig ist.
Entgegen der entsprechenden Befunde der behandelnden Ärzte des Feuerwehrmanns war das Oberlandesgericht Köln der Ansicht, dass dieser noch erwerbsfähig sei und seine Möglichkeiten der Erwerbstätigkeiten nicht voll ausgeschöpft hätte, weshalb die Schädiger nicht die vollen Kosten des Verdienstausfalles zu tragen hätten. Ein Gericht darf auf die Einholung eines Sachverständigenurteils jedoch nur verzichten, wenn es eigene besondere Sachkunde hat. Der Bundesgerichtshof hat nun festgestellt, dass das Oberlandesgericht Köln sich vorliegend medizinische Sachkunde angemaßt hat, die es nicht hatte.
Lisa Lang
Anwältin für Medizinrecht
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