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Medizinrecht: Woran die meisten Klagen gegen Corona-Impfstoff-Hersteller bisher scheitern

Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.02.2024 – 2-12 O 264/22, Pressemitteilung vom 14.02.2024

Hintergrund

Eine Welle von Klagen gegen Medizinkonzerne, die Impfungen gegen das Corona-Virus hergestellt haben, beschäftigt derzeit die deutschen Gerichte – im vergangenen Dezember waren es bereits über 500 anhängige Verfahren, wie die Zeitung „Die Welt“ berichtet. Bisher haben jedoch die meisten Kläger keinen Erfolg, so auch die Klägerin im vorliegenden Verfahren.

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Unternehmen Biontech Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 150.000 € aufgrund von durch die Impfungen gegen das Coronavirus hervorgerufenen Impfschäden. Im März, April und November 2021 ließ sich die Klägerin gegen das SARS-CoV-2-Virus mit dem Impfstoff der Firma Biontech impfen. Nach vorangegangener Prüfung der Europäischen Arzneimittelagentur war dieser Impfstoff im Dezember 2020 bedingt zugelassen worden. Am 10.10.2022 wurde der Impfstoff dann unbedingt zugelassen, es wurde also eine Standardzulassung erteilt.

In den auf die erste Impfung folgenden Wochen beklagte die Klägerin häufige starke Migräneattacken, des Weiteren habe sie im Nachgang der Impfungen eine akute Herzerkrankung (Myokarditis) erlitten, habe signifikante Konzentrationsstörungen und ihre Leistungsfähigkeit habe insgesamt nachgelassen. Sie klagte über ein Engegefühl im Brustraum und über einen unregelmäßigen Herzschlag. Bereits vor den Impfungen litt die Klägerin an einer Schilddrüsenerkrankung, in Folge derer ihre Schilddrüse entfernt wurde, des Weiteren hatte die Klägerin Schlafprobleme.

Gegenüber der Beklagten machte die Klägerin geltend, dass sie nicht hinreichend über Nebenwirkungen aufgeklärt worden wäre, da der Hersteller bis auf Myokarditis und Perikarditis auf keine Nebenwirkungen hingewiesen habe. Die Klägerin war weiterhin der Ansicht, dass die Entscheidungen, den Impfstoff zuzulassen, rechtswidrig gewesen seien. Neben Schadensersatz für die ihr entstandenen Schäden und Schmerzensgeld verlangte sie außerdem von dem Hersteller die Auskunft über diverse Wirkmechanismen des Impfstoffs und andere Informationen.

Die Beklagte beantragte dagegen, die Klage abzuweisen und macht unter anderem geltend, dass der Impfstoff ein durchgehend positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweise, also der Nutzen des Impfstoffs die damit einhergehenden und sehr selten auftretenden Risiken bei Weitem überwiege. Das Landgericht Frankfurt am Main schloss sich dieser Ansicht an und wies dies Klage ab.

Gründe

Wie auch in den meisten anderen, bisher verhandelten Verfahren scheitert diese Klage daran, dass eine Haftung des Impfstoffherstellers aufgrund eines negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht in Betracht kommt. Grundlage der Klagen ist § 84 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG), welcher einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Arzneimittelhersteller festlegt, wenn infolge der Anwendung eines zulassungspflichtigen Arzneimittels die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt wurde.

Dabei müssen die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen – das sogenannte Nutzen-Risiko-Verhältnis müsste also negativ ausfallen, der therapeutische Nutzen dürfte die Art, Gefahr und Häufigkeit der schädlichen Nebenwirkungen also nicht überwiegen. Dies wurde bisher von den befassten Gerichten stets verneint – so auch in diesem Fall. Im Rahmen der ersten Zulassung des Impfstoffes durch die Europäische Arzneimittelagentur fiel die Abwägung von Nutzen und Risiko des Vakzins positiv aus, diese Zulassungsentscheidung ist grundsätzlich bindend.

Eine Haftung des Arzneimittelkonzerns ist lediglich aufgrund von schädlichen Wirkungen möglich, die im Nachgang der Zulassung bekannt geworden sind und nun zu einer negativen Nutzen-Risiko-Abwägung führen. Solche Risiken sind jedoch nicht nachträglich bekannt geworden. Vielmehr wurde der Impfstoff seitens des Herstellers im Verlaufe der Pandemie den verschiedenen Virus-Varianten angepasst und erneut durch die Europäische Arzneimittelagentur zugelassen und die positive Nutzen-Risiko-Abwägung daher bestätigt.

Darüber hinaus stellte das Landgericht Frankfurt am Main fest, dass die Klägerin nicht hinreichend mittels Krankenunterlagen und Untersuchungsberichten dargelegt hat, dass die fraglichen Krankheitsbilder und Beschwerden vor der Impfung noch nicht vorlagen. Die Klägerin hat daher nicht ausreichend dargelegt, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Impfung und den bei ihr entstandenen Schäden vorliegt.

Bewertung

Die bisher entschiedenen Verfahren um Schmerzensgeld und Schadensersatz gegen Impfstoffhersteller scheitern in der Regel daran, dass der medizinische Nutzen des Impfstoffes die damit verbundenen Risiken deutlich überwiegt. Diese Risikoabwägung wurde im Rahmen der Zulassung des Impfstoffes von der Europäischen Arzneimittelagentur von medizinischer Seite aus vorgenommen und ist somit verbindlich.

Grundsätzlich wird in § 84 Abs. 2 S. 1 AMG eine Kausalitätsvermutung dahingehend aufgestellt, dass vermutet wird, dass das Arzneimittel den Gesundheitsschaden eines Menschen verursacht hat, wenn es im Einzelfall geeignet ist, einen solchen Gesundheitsschaden zu verursachen. Die konkreten Umstände, die nahelegen, dass die Gesundheitsschädigung durch eine Impfung entstanden ist, muss jedoch der Kläger selbst vorlegen. Somit ist es essentiell darzulegen, dass der Gesundheitsschaden, der gerügt wird, nicht bereits vor der Verabreichung des Impfstoffes bestand.

Konstantin Theodoridis
Fachanwalt für Medizinrecht

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