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Arbeitsrecht: Zulässigkeit einer Druckkündigung

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 12.12.2023 – 7 Sa 61/23

Hintergrund

Die Klägerin dieses Falles ist seit dem Jahr 1998 bei der Beklagten als Chemielaborantin im Labor an einem Standort tätig, an dem etwa 55 Mitarbeiter arbeiten und ein fünfköpfiger Betriebsrat besteht.

In der Vergangenheit wurde die Klägerin aufgrund von Unstimmigkeiten mit Kollegen bereits mehrfach innerhalb dieses Betriebes, im Jahr 2015 sogar an einen anderen Standort, versetzt. Gegenüber der Klägerin wurde in diesem Zuge eine Ermahnung, ihr Sozialverhalten zu verbessern, ausgesprochen.

Im Jahr 2019 kam es zu einer längerfristigen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bedingt durch eine Burnout-Symptomatik in Verbindung mit dissoziativen Störungen, es wurde jedoch ärztlich festgestellt, dass eine erfolgreiche Reintegration der Klägerin in ihren Arbeitsplatz möglich sein könnte.

Als die anderen Mitarbeiter des Labors davon erfuhren, wandten sie sich an den Geschäftsführer und baten darum, von einer Rückkehr der Klägerin abzusehen. Auch die Betriebsratsvorsitzende wies gegenüber dem Geschäftsführer darauf hin, dass kein Vertrauensverhältnis zwischen der Klägerin und ihren Arbeitskollegen bestünde und dies dem Sozialverhalten der Klägerin geschuldet sei.

Als der Geschäftsführer sich daraufhin an einen Teil der Belegschaft wandte, um eine gemeinsame Lösung zu finden, wiesen einige Mitarbeiter darauf hin, dass sie sich eine Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht vorstellen könnten, dass mit einer Zunahme von krankheitsbedingten Fehlzeiten aufgrund von Stress zu rechnen sei, und kündigten in mehreren Fällen an, bei einer Rückkehr der Klägerin zu kündigen. Gegebenenfalls könnte die Kündigung mehrerer Mitarbeiter sogar die Schließung der gesamten Abteilung zur Folge haben, wie einige Mitarbeiter mitteilten.

Die Beklagte bot daraufhin der Klägerin an, an einem anderen, weiter entfernten Standort tätig zu werden und die Reisekosten für sie zu übernehmen, was diese jedoch ablehnte. Zunächst wurde die Klägerin daraufhin von ihrer Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt, im Februar 2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgemäß und bot die Weiterbeschäftigung an dem besagten weiter entfernten Standort an. Die Klägerin nahm das Angebot unter dem Vorbehalt, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt sei, an und erhob im März 2022 Kündigungsschutzklage.

Ende Mai 2022 bestand bei der Beklagten ein dringendes Beschäftigungsbedürfnis an dem besagten Standort, sodass die Klägerin aufgefordert wurde, dort tätig zu werden, was diese jedoch ablehnte. Die Beklagte zahlte daher ab dem 15.06.2022 kein Gehalt mehr an die Klägerin aus, woraufhin diese eine Zahlungsklage erhob.

Das erstinstanzliche Arbeitsgericht Würzburg war der Ansicht, dass die Voraussetzungen einer Druckkündigung nicht vorgelegen hätten, und auch das Zahlungsbegehren der Klägerin hatte Erfolg, da die Beklagte diese nicht von der Arbeit hätte freistellen dürfen, weshalb die Beklagte in den Verzug der Annahme der Arbeitsleistung gekommen wäre. Die Beklagte legte dagegen Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg ein.

Gründe

Das Landesarbeitsgericht hat sich der Ansicht des Arbeitsgerichts Würzburg angeschlossen. Eine Druckkündigung ist zulässig nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wenn sie der Arbeitgeber zuvor schützend vor den Arbeitnehmer gestellt und mit allen Mitteln versucht hat, die anderen Mitarbeiter von deren Drohung abzubringen. Vorliegend hatte jedoch lediglich ein Teil der Mitarbeiter gedroht, selber zu kündigen und ein daraus folgender gravierender wirtschaftlicher Schaden war nicht hinreichend konkret dargelegt worden, sondern lediglich Subjekt von Spekulation.

Der Arbeitgeber muss dabei viele Anstrengungen tätigen und gegenüber den Mitarbeitern deutlich machen, dass aus seiner Sicht kein Anlass zur Kündigung besteht und gegebenenfalls auf sein arbeitgeberisches Weisungsrecht zurückgreifen. Jedoch hat die Beklagte nicht hinreichend auf ihre Mitarbeiter eingewirkt, vielmehr hätte sie stärker aktiv für die Klägerin einstehen müssen.

Da die Beklagte die Klägerin auch nicht von der Arbeitsleistung hätte freistellen dürfen, kam sie daher in den Verzug der Annahme der Arbeitsleistung gemäß § 615 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Klägerin war bereit, in ihrem ursprünglichen Betrieb weiterzuarbeiten, die Freistellung seitens der Beklagten hinderte sie jedoch daran. Dass der Klägerin die Tätigkeit in einem weiter entfernten Betrieb angeboten wurde, ändert daran nichts.

Bewertung

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hatte sich vorliegend mit der Zulässigkeit einer sogenannten Druckkündigung befasst, also einer Kündigung, die gegenüber einem Arbeitnehmer ausgesprochen wird, weil andere Personen des Betriebs – in der Regel Arbeitskollegen – eine Kündigung dieses Arbeitnehmers fordern und anderenfalls mit Nachteilen, etwa der eigenen Kündigung, drohen.

Eine Druckkündigung ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig und muss stets ultima ratio bleiben. Der Arbeitgeber muss sich zuvor ausgiebig mit seiner mit Eigenkündigung oder sonstigen Nachteilen drohenden Belegschaft auseinandersetzen und dabei die Interessen des Arbeitnehmers vertreten, dessen Kündigung gefordert wird, wenn eigentlich kein Grund besteht, diesem zu kündigen. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer angemessene anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten. Erst wenn nachweisbar gravierende wirtschaftliche Nachteile drohen und sämtliche Handlungsmöglichkeiten erschöpft wurden, kann eine Druckkündigung zulässig sein.

Julia Wulf
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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