Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2023 – 1 ABR 24/22
Hintergrund
Antragsteller des vorliegenden Falles ist der Betriebsrat des beklagten Unternehmens, welches Brems- und Kraftstoffsysteme für Fahrzeuge herstellt. Zwischen den Parteien ist strittig, ob dem Betriebsrat bei der Anordnung eines Handyverbots während der Arbeitszeit ein Mitbestimmungsrecht zusteht.
Im November 2021 verkündete die Arbeitgeberin in einer im Betrieb aufgehängten Mitarbeiterinformation, dass während der Arbeitszeit eine private Nutzung von Smartphones oder anderen Mobiltelefonen nicht gestattet sei. Bei einem Verstoß sei mit Konsequenzen in arbeitsrechtlicher Hinsicht und als ultima ratio mit einer fristlosen Kündigung zu rechnen.
Im Rahmen des Betriebs der Beklagten kann es üblicherweise in gewissen zeitlichen Abständen, bedingt durch den Umbau von Maschinen oder den Eingang von Waren, zu Arbeitsunterbrechungen kommen, die von den Arbeitnehmern zur Erledigung anderweitiger Aufgaben oder Nebentätigkeiten genutzt werden sollen.
Der Betriebsrat des Unternehmens war der Ansicht, die Arbeitgeberin habe das Nutzungsverbot einseitig angeordnet und somit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verletzt. Danach hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Da die fragliche Mitarbeiterinformation das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb regele, hätte der Betriebsrat beteiligt werden müssen. Insbesondere zu Zeiten, in denen kein Arbeitsbedarf bestehe, würde eine Handynutzung die arbeitsvertraglichen Pflichten der Arbeitnehmer nicht verletzen, so der Betriebsrat.
Daher stellte dieser erstinstanzlich vor dem Arbeitsgericht Braunschweig den Antrag, das Verbot aufzuheben, solange der Betriebsrat nicht zugestimmt habe oder eine Einigungsstelle einen Leitspruch geäußert hätte. Das beklagte Unternehmen war der Ansicht, das Verbot würde lediglich das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer betreffen und diese zu konzentrierter Arbeit anhalten. Ein Mitwirkungsrecht des Betriebsrates würde daher nicht bestehen.
Sowohl das Arbeitsgericht Braunschweig als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen lehnten die Anträge des Betriebsrates ab. Im Rahmen der Revision zum Bundesarbeitsgericht verfolgte der Betriebsrat sein Anliegen weiter, jedoch ohne Erfolg.
Gründe
Das Bundesarbeitsgericht hat im vorliegenden Fall keine Anordnung seitens des Unternehmens gesehen, welche unter den Anwendungsbereich von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG fallen würde. Diese Vorschrift gesteht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht – und im Falle einer unterlassenen Mitbestimmung einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Unterlassung dieses betriebsverfassungswidrigen Verhaltens und Beseitigung dieser Lage – zu, wenn eine Frage des Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer vorliegt.
Unter das Ordnungsverhalten fallen sämtliche Maßnahmen des Arbeitgebers, die darauf abzielen, das kollektive Miteinander zu gestalten und die vorgegebene Ordnung im Betrieb aufrechtzuerhalten und zu gewährleisten. Arbeitnehmer erbringen ihre vertraglich geschuldete Leistung in einem seitens des Arbeitgebers vorgegebenen Organisationsrahmens und unterliegen dessen Weisungsrecht. Durch die Mitbestimmung des Betriebsrates soll eine Einbeziehung der Arbeitnehmer in Aspekte der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens sichergestellt werden.
Davon abzugrenzen sind Regelungen, die der Arbeitgeber trifft, um das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer zu ordnen. Diese sind nicht mitbestimmungspflichtig, da sie Teil der Arbeitspflichten darstellen und diese unmittelbar konkretisieren. Fällt eine arbeitgeberseitige Regelung sowohl in das Spektrum von Ordnungs- als auch von Arbeitsverhalten, so ist der Schwerpunkt der Maßnahme objektiv zu bestimmen und entscheidend für die Mitbestimmung des Betriebsrats.
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei einem Handyverbot um eine Regelung, die lediglich das Arbeitsverhalten steuern soll. Der Arbeitnehmer soll dadurch zu einer konzentrierteren und effektiveren Arbeitsweise angeregt werden. Die typischen Verwendungsweisen von Handys sollen gerade während der Arbeitszeit unterlassen werden. Dies umfasst auch Zeiträume, in denen etwa aufgrund der Umbauten der Maschinen lediglich Nebenarbeiten ausgeführt werden sollen.
Bewertung
Ein Handyverbot am Arbeitsplatz kann aus Sicht des Arbeitgebers sinnvoll sein, um sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer dieses nicht zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit nutzt. Aufgrund der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten und dem hohen Ablenkungspotenzial kann ein Handyverbot während der Arbeitszeit die Effektivität der Arbeitnehmer steigern.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat nun die länger ungeklärte Frage, ob dem Betriebsrat eines Unternehmens im Falle eines solchen Handyverbots ein Anspruch auf Mitbestimmung zusteht, um die arbeitnehmerseitigen Interessen hinreichend zu vertreten, geklärt und zu Ungunsten des Betriebsrates entschieden, da sich eine solche Anordnung lediglich auf das Arbeitsverhalten und nicht auf das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer bezieht.
Zwar kann ein Handyverbot auch Auswirkungen auf die Ordnung des Betriebs haben, etwa wenn Musik zu laut abgespielt wird, jedoch liegt der hauptsächliche Zweck eines Handyverbots darin, die Arbeitnehmer von Arbeitsunterbrechungen, unkonzentrierter Arbeit und Ablenkung durch ihr Smartphone abzuhalten. Ein Mitbestimmungsrecht steht dem Betriebsrat daher nicht zu.
Julia Wulf
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.