
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2023 – 2 AZR 55/23
Hintergrund
Vorliegend befasste sich das Bundesarbeitsgericht mit der außerordentlichen fristlosen Kündigung einer Krankenschwester, die wahrheitswidrig behauptet hatte, aus gesundheitlichen Gründen nicht gegen das Coronavirus geimpft werden zu können und ein entsprechendes gefälschtes Zertifikat vorlegt hatte.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Krankenschwester, die seit dem Jahr 1988 bei der beklagten Arbeitgeberin in einem von ihr betriebenen Krankenhaus tätig war. Zum 16.03.2022 trat die durch die Coronapandemie bedingte einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft, weshalb die Beklagte im Vorhinein von ihren Mitarbeitern die entsprechenden Nachweise zur erfolgten Impfung oder alternativ die Nachweise, dass aufgrund von medizinischen Gründen eine Impfung nicht erfolgen sollte, einforderte.
Die Klägerin legte daher eine am 04.01.2022 ausgestellte Bescheinigung einer vorläufigen Impfunfähigkeit gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 vor, welche sie im Internet erworben hatte. Diese Bescheinigung enthielt den Hinweis, dass eine Impfung zumindest bis zum 04.07.2022 nicht möglich sei, da „der Patient“ von einem Facharzt für Allergologie überprüft werden sollte, um schlimmstenfalls tödliche Nebenwirkungen auszuschließen.
Diese Bescheinigung legte die Beklagte dem zuständigen Gesundheitsamt vor, welches ihr mitteilte, dass das Schreiben aus dem Internet heruntergeladen wurde, woraufhin die Beklagte der Klägerin das Arbeitsverhältnis nach vorheriger Anhörung des Betriebsrates am 24.01.2022 außerordentlich und hilfsweise ordentlich kündigte.
Dagegen wandte sich die Klägerin im Rahmen einer Kündigungsschutzklage an das Arbeitsgericht mit der Begründung, dass die Bescheinigung keinen individuellen Gesundheitszustand bestätige, sondern lediglich die generelle Meinung der ausstellenden Ärztin widerspiegele, dass eine allergologische Untersuchung vor einer Corona-Impfung für jede Person erforderlich sei.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, die darauffolgende Berufung der Beklagten beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein war erfolgreich. Die Klägerin begehrte vor dem Bundesarbeitsgericht nun die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils – jedoch ohne Erfolg.
Gründe
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts war die vorliegende außerordentliche Kündigung rechtmäßig. Gemäß § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Arbeitsverhältnis außerordentlich ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, aufgrund dessen dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zuzumuten ist.
Das Verhalten der Klägerin ist schon an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur Kündigung darzustellen. Die Klägerin hat wahrheitswidrig behauptet, dass aufgrund einer ärztlichen Untersuchung festgestellt worden wäre, sie könne vorläufig nicht gegen Corona geimpft werden. Insbesondere aufgrund der Anstellung der Klägerin in einem Krankenhaus und der dem Schutz besonders vulnerabler Personen dienenden Nachweispflicht liegt in dieser Behauptung eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung sowie ein damit verbundener Vertrauensbruch.
Die Bescheinigung der Klägerin erweckt den Eindruck, es würde ein individueller ärztlicher Kontakt attestiert und nicht lediglich eine allgemeine ärztliche Meinung zum Ausdruck gebracht werden. Der damals geltende § 20a Abs. 5 Satz 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ermächtigte das Gesundheitsamt, ein Betretungs- bzw. Beschäftigungsverbot auszusprechen. Diese Möglichkeit sperrt jedoch nicht die arbeitsrechtliche Option einer Kündigung, die einem Arbeitgeber weiterhin zustand.
Aufgrund der schweren Verfehlung der Klägerin war auch keine vorherige Abmahnung nötig. Die Klägerin hätte ihre Bedenken hinsichtlich einer Corona-Impfung mitteilen und tatsächlich einen Allergologen aufsuchen können. Des Weiteren hat die Klägerin für den Fall einer erfolgreichen Täuschung die Gesundheitsgefährdung der ihr anvertrauten Patienten billigend in Kauf genommen. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist war der Beklagten daher nicht zuzumuten.
Bewertung
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts reiht sich ein in eine Vielzahl bereits ergangener Urteile im Rahmen der arbeitsrechtlichen Konsequenzen rund um die Coronapandemie und der sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Eine außerordentliche Kündigung kann grundsätzlich nur unter strengen Voraussetzungen ergehen: Zum einen müssen Umstände vorliegen, die schon „an sich“ als wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigen können. Darüber hinaus muss auch im konkreten Einzelfall eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar sein.
Besonders schwer wiegt im vorliegenden Fall, dass eine Täuschung hinsichtlich einer erfolgten Anamnese vorliegt. Insbesondere, da die Klägerin als Pflegerin in einem Krankenhaus tätig war, somit mit Risikopatienten in Kontakt stand und bereit war, diese zu gefährden, liegt ein erheblicher Verstoß gegen ihre nebenvertraglichen Pflichten vor. Das Vertrauen der Arbeitgeberin zur Arbeitnehmerin wurde dadurch irreparabel geschädigt, sodass auch eine Abmahnung, wie sie üblicherweise bei einer verhaltensbedingten Kündigung erforderlich wäre, vorliegend nicht nötig war.
Hagen Albus
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.