
Landesarbeitsgericht Niedersachen, Urteil vom 12.10.2005 – 6 Sa 2132/03
Hintergrund
Der Kläger war seit 1968 in einem Betrieb als Kfz-Meister und Werkstattleiter tätig. Dieser Betrieb wurde im Jahre 1994 von dem Beklagten übernommen und seinem Sohn zur Leitung überlassen. Mit seiner Klage wendet sich der Kläger sowohl gegen den Vater als auch gegen den Sohn.
Nach der Übernahme des Betriebs wurden die Betriebsabläufe geändert, was zu Konflikten zwischen dem Sohn und den Mitarbeitern führte. Der Kläger wurde in der Folge benachteiligt, indem ihm die Betreuung komplexer Fälle entzogen und ein Kundenkontakt, der über fachliche Inhalte hinausgehen würde, verboten wurde mit der Begründung, seine Meinung sei unwichtig.
Im Jahre 2002 wurde der Kläger sachgrundlos einer niedrigeren Gehaltsstufe zugeordnet, woraufhin er sich mit einem Forderungsschreiben seiner Gewerkschaft an den beklagten Sohn wandte. Im Rahmen dieser Gespräche wurde der Kläger in verschiedenen verbalen Formen aufs Äußerste beleidigt und beschimpft.
Ab dem 11.04.2002 erlitt der Kläger gesundheitliche Probleme, die nach ärztlicher Begutachtung einer reaktiven Depression als psychosomatisches Krankheitsbild aufgrund des Mobbings am Arbeitsplatz zuzuschreiben waren. Der Kläger litt unter anderem an einem Nervenzusammenbruch, Angstzuständen, Depressionen, Schlaflosigkeit, Unruhe und Konzentrationsschwierigkeiten. Letztendlich war der Kläger zwischen April 2002 und Oktober 2004 derart erkrankt, dass er arbeitsunfähig war.
Der Kläger wandte sich daher an das Arbeitsgericht Braunschweig mit der Forderung nach Schmerzensgeld, wobei dieses 45.000 € nicht unterschreiten sollte.
Die Beklagten machten dagegen geltend, dass der Kläger sich Anweisungen widersetzt, fehlerhaft und unverantwortlich gearbeitet habe und sowohl gegenüber anderen Mitarbeitern als auch gegenüber Kunden Fehlverhalten gezeigt habe. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sahen die Beklagten in seiner Überforderung und der sich darin zeigenden Unzulänglichkeit begründet.
Das Arbeitsgericht Braunschweig lehnte die Klage ab, woraufhin sich der Kläger mit einer Berufung an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen wandte. Er führte weiter aus, dass die ihm gegenüber ausgesprochenen und im Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig festgestellten Beleidigungen den Straftatbestand des § 185 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllten und ihn in seinem Persönlichkeitsrecht verletzten. Der beklagte Sohn habe ihn außerdem regelmäßig vor Kunden lächerlich gemacht, seine Reputation geschädigt und ihn herabgewürdigt.
Gründe
Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger eine Schmerzensgeldzahlung von 24.000 € zugesprochen, da der Kläger eine Körper- und Gesundheitsverletzung erlitten habe aufgrund des Mobbings des beklagten Sohnes. Kausal durch die Beleidigungen, die bereits das Arbeitsgericht Braunschweig festgestellt hatte, ausgelöst, erlitt der Kläger eine reaktiv-depressive Symptomatik verbunden mit begleitenden psychosomatischen Symptomen, wie ein durch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in Auftrag gegebenes ärztliches Gutachten bestätigte.
Aufgrund dieser Gesundheitsverletzung ist der beklagte Sohn zur Zahlung des vollen Schmerzensgeldes verpflichtet, denn das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen eines Bagatellschadens verneint, da die Beleidigungen und Diffamierungen auf die Herabsetzung der Menschenwürde des Klägers gerichtet waren und nicht etwa einer sachlichen Auseinandersetzung dienen sollten.
Lediglich eine Schmerzensgeldforderung gegen den beklagten Vater hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen abgelehnt mit der Begründung, dass dieser nicht für die Handlungen des Sohnes haftbar gemacht werden könnte, da die Beleidigungen nicht in Ausführung der Verrichtung der Leitung des Betriebes erfolgten.
Bewertung
Dieses Grundsatzurteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen setzt fest, dass einem Arbeitnehmer eine Schmerzensgeldforderung zusteht, wenn der Arbeitgeber ihn mobbt. Vorliegend handelte es sich um Mobbing in Form von wiederholten Beleidigungen sowie Diffamierungen. Insbesondere wurde der Arbeitnehmer vor Kunden herabgewürdigt und seine Fähigkeiten wurden abgewertet.
Aufgrund dieses über längere Zeit andauernden Mobbings wurde bei dem Kläger eine psychische Erkrankung ausgelöst. Zwar stellte das Gericht fest, dass der Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur für derartige psychische Reaktionen leicht prädestiniert war, jedoch befreit dies den mobbenden Arbeitgeber nicht von dessen Verantwortung.
Im vorliegenden Fall hat das Landesarbeitsgericht ein Schmerzensgeld im Umfang von 24.000 € als angemessen angesehen. Je nach Umständen des Einzelfalls kann dies jedoch stark variieren.
Julia Wulf
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Unsere Fachanwälte in Bonn betreuen seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite zu allen entscheidenden arbeitsrechtlichen Fragen. Lesen Sie mehr zu den Tätigkeitsschwerpunkten unserer Kanzlei unter www.rnsp.de.